Samstag, 24. Januar 2004
Rede der Oberbürgermeisterin: Sogar Schöning schüttelte nur noch den Kopf
Das Schwäbische Tagblatt berichtete nur über 50% der Ansprache der Oberbürgermeisterin auf dem Neujahrsempfang am 23.1.2004. Hier folgen die Passagen, über die nicht berichtet wurde:
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Auf unseren Vorwurf, die Tübinger Finanzprobleme seien auch hausgemacht, rechtfertigte sich die OB:
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"Die Universitätsstadt Tübingen ist mit ihren Finanzproblemen nicht alleine. Unsere Finanzprobleme sind auch nicht hausgemacht. Ganz ohne Unterstützung von Bund und Land werden wir sie auch nicht lösen können, zumal wir immer mehr Aufgaben - denken Sie nur an die Kinderbetreuung - übernehmen und uns enorme Lasten - denken Sie nur an die Kreisumlage - aufgebürdet werden.

Vielleicht müssen wir in diesem Zusammenhang auch wieder etwas umdenken. Es ist inzwischen ausgesprochen populär geworden, jeden Tag aufs Neue weiteren Steuerentlastungen das Wort zu reden. Dabei wird oft vergessen, dass die vielen neuen Aufgaben, die der öffentliche Bereich in den letzten Jahren übernommen hat und die vielen individuellen Ansprüche, die geschaffen wurden, von irgendjemand finanziert werden müssen.

Hinzu kommen immer neue, durchaus berechtigte Forderungen nach einem größeren Engagement der öffentlichen Hand - so z.B. in den Bereichen Forschung, Bildung und bei der Kinderbetreuung. Mit ständig sinkenden Einnahmen der öffentlichen Kassen ist dies alles nicht zu leisten. Wer eine Entlastung der heutigen Generationen fordert und dafür eine noch stärkere Belastung der zukünftigen Generationen in Kauf nimmt, wird seiner Verantwortung nicht gerecht.

Eine Finanzierung laufender Ausgaben über Kredite muss die absolute Ausnahme bleiben und darf nicht zu einer Dauerlösung werden - nicht beim Bund, nicht bei den Ländern und auch nicht bei den Städten. Wer also die laufenden Ausgaben nicht in dem Umfang kürzen kann, wie die laufenden Einnahmen sinken, muss auch über Maßnahmen zur Einnahmensteigerung nachdenken, auch wenn sie nicht immer populär sind.

Wie schwierig die Kürzung von Ausgaben ist, haben wir in den vielen Konsolidierungsrunden und in den anschließenden Diskussionen in der Öffentlichkeit im vergangenen Jahr ausgiebig erleben dürfen. Im Grundsatz akzeptiert zwar fast jeder, dass gespart werden muss, und wir in der Stadt nur das Geld ausgeben sollten, das wir laufend einnehmen.

Sobald sich die Einsparungen aber konkretisieren und für den Einzelnen spürbar werden, sind die Widerstände doch erheblich. Gleiches gilt im Prinzip auch bei der Erhöhung der Einnahmen - denken Sie nur an die auch im Gemeinderat umstrittene Erhöhung der Grundsteuer.

Trotz dieser schwierigen Ausgangssituation ist es der Verwaltung und dem Gemeinderat im vergangenen Jahr gelungen, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Entlastung des Verwaltungshaushalts auf den Weg zu bringen. Dafür danke ich allen, die daran mitgewirkt haben, angefangen von den Gemeinderäten über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung bis hin zu den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern.

Dass dieses insgesamt nicht ausgereicht hat, um für 2004 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, hängt auch damit zusammen, dass die Stadt gegenüber 2003 eine um rund 3 Millionen Euro höhere Kreisumlage zu verkraften hat und die Novembersteuerschätzung uns weitere Einbußen bei den Einnahmen bescherte. Umso erfreulicher ist es, dass - wenn auch unter Schmerzen und erst im zweiten Versuch - am letzten Montag ein Hauhalt für das Jahr 2004 verabschiedet werden konnte."
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Nicht den Hauch einer Selbstkritik. Ihre Gegner sind unverantwortlich, Lobbyisten, suchen Pupularität und Wählerstimmen, unsachlich, wahltaktisch, medienwirksame Pupulisten und unvernünftig:
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"Es war ein schweres Ringen um diesen Kompromiss. Vielleicht nicht überraschend, wenn man bedenkt, in welcher Zeit wir leben. Wer will denn schon in mühevoller Kleinarbeit an einem Kompromiss stricken, für den keine Lorbeeren zu gewinnen sind? Wer will schon die Verantwortung für das Ganze mit übernehmen, wenn der Lobbyismus für die vielen Einzelinteressen das eigene Profil besser schärft, eine höhere Popularität mit sich bringt und sich so am Ende vielleicht sogar mehr Wählerstimmen gewinnen lassen? Wer stellt wahltaktische Überlegungen zurück und bemüht sich, der Sache insgesamt gerecht zu werden, wenn es viel medienwirksamer ist, mit populistischen Sprüchen die politischen Gegner zu anzugreifen und sich jeder vernünftigen und realisierbaren Lösung zu
verweigern?"
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Sonderschimpfe für die Tübinger Linke/PDS: Weshalb zahlt die Stadt weiter treu und brav an die L-Bank das Mietdefizit, obwohl die L-Bank auf der anderen Seite unseren Mietern das Geld entzieht, sie in den Konkurs treibt? Solange die OB aus falschem Stolz nicht alles tut, um aus der 15-jährigen Mietbindung herauszukommen, ist sie für das jährliche Defizit von weit über 600 000 Euro mitverantwortlich. Außerdem: Ist es nötig für dieses Projekt 2004 vorgezogene Grundstückskäufe im Horemer für 800 000 Euro vorzunehmen, obwohl eher ein Umdenken angebracht wäre?
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"Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals bei allen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten bedanken, die durch aktive - oder passive - Mitwirkung diesen Haushaltskompromiss ermöglicht haben, aber auch bei jenen, die über Monate an den vielen interfraktionellen Gesprächen teilgenommen haben, im Rahmen deren nach Lösungen gesucht wurde. Es gab nur eine Fraktion, die sich bei diesen Runden nicht beteiligt hat.

Keiner in der Verwaltung und im Gemeinderat hat es sich mit den Kürzungen leicht gemacht oder hat frohen Herzens entschieden, die Bürgerschaft mit der Grundsteuererhöhung stärker zu belasten. Wer aber die jetzt beschlossene Grundsteuererhöhung kritisiert, muss sagen, wie er die zusätzlich fehlende Million Euro bei den laufenden Ausgaben hätte einsparen wollen.

Die Kürzung von einer weiteren Million bei den laufenden Ausgaben hätte z.B. bedeutet, wir bauen weitere 25 Arbeitsplätze in der Stadtverwaltung ab und sprechen erstmals betriebsbedingte Kündigungen aus, oder wir streichen über 300 Kinderbetreuungsplätze, oder wir schließen nicht nur das Zimmertheater, das lediglich eine Einsparung von 250.000 Euro erbringen würde, sondern auch gleich die Musikschule - und das würde noch nicht einmal ausreichen um auf eine Einsparung von einer Million zu kommen. Daran ist leicht zu erkennen, wie schwierig die Aufgabe der Konsolidierung im Moment ist.

Auch denen, die immer wieder behaupten, die Sporthalle und der Technologiepark seien die Ursache allen Übels, muss mit dem Blick auf die Zahlen gesagt werden: Die Technologieförderung belastet den Haushalt 2004 mit 600.000 Euro anstatt - wie geplant - mit 300.000 Euro. Das ist richtig. Die Mehrbelastung des städtischen Haushaltes hängt mit der Krise der Biotechnologie zusammen, die den Gründerboom extrem verlangsamt und die Anzahl der Insolvenzen erhöht hat.

Dennoch hat die Technologieförderung der Stadt es ermöglicht, dass der Betreiber des Technologieparks allein für das erste Gebäude in Tübingen mehr als 20 Millionen Euro investiert hat. Auch der Neubau für die im Aufbau befindliche neue Abteilung der Max-Planck-Gesellschaft wäre
ohne das Projekt Technologiepark kaum denkbar gewesen.

Mit der Entscheidung für den Technologiepark wurde eine wichtige Weiche für die weitere Entwicklung der Stadt gestellt. Wer nicht in die künftige Entwicklung investiert, kann auch nicht gewinnen. Und eines haben wir - neben den Investitionen Dritter und neben den weiteren Arbeitsplätzen in der neuen Abteilung bei der Max-Planck-Gesellschaft - heute schon gewonnen. Es ist uns gelungen, das Klima für Unternehmensgründungen in Tübingen grundlegend zu verändern und vielen jungen Menschen nach der Universität eine Perspektive zu geben.

Eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze im Bereich der Biotechnologie und der Informationstechnik wurden in der gesamten Region Tübingen/Reutlingen in den letzten Jahren geschaffen. Auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universität hat sich durch das Vorhandensein eines solchen Technologieparks in unmittelbarer Nähe zur Universität und den Kliniken verbessert."
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Die OB unterstellt, wir wären gegen die TüArena gewesen. Wir waren nur mit einer Kostensteigerung von 6 auf 10 Millionen brutto nicht einverstanden. Außerdem liegen die Folgekosten bei etwa 10% der Investitionssumme. Die jährlichen Zusatzkosten von 250 000 Euro sind geschönt. Auch die Erwartung, dass ein Drittel über Sponsoren hereinkommen soll, wird sich als Luftbuchung herausstellen. Von enttäuschen Handwerkern zu sprechen, ist der reine Hohn. Kein Tübinger Handwerker war am Bau auf der Oberen Viehweide beteiligt, keiner bei der TüArena. Und plötzlich soll die TüArena jugendlichen Randgruppen auch noch das Klauen und Kiffen abgewöhnen.
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"Die neue Sporthalle belastet die laufenden Ausgaben des Jahres 2004 mit einem Betrag unter 100 000 Euro. Nach Inbetriebnahme der Halle werden es voraussichtlich 250 000 Euro Defizit pro Jahr sein. Schon dies zeigt, wie zweifelhaft manche Argumentation in der Öffentlichkeit ist. Die Ursache für unser strukturelles Defizit in Höhe von mehreren Millionen Euro schon im Jahr 2004 kann schon rein rechnerisch mit dieser Halle nicht zusammenhängen.

Natürlich vergrößert die Halle das laufende Defizit, so wie jeder neu geschaffene Kinderbetreuungsplatz oder jedes neu geschaffene Klassenzimmer. Natürlich hätten wir auf die 2,75 Millionen Euro Landeszuschuss verzichten und vom Bau der Halle absehen können. Mancher Handwerker in der Stadt wäre vielleicht enttäuscht gewesen, den vielen Kinder und Jugendlichen im Schul- und im Vereinssport hätten wir dann eben weiter keinen ausreichenden Raum für ihrer sportlichen Aktivitäten zur Verfügung stellen können. Für den Leistungs- und den Profisport hätte es in Tübingen dann eben keine Perspektiven gegeben, und die Stadt wäre in Zukunft um eine große Attraktion ärmer.

Die Mehrheit hat sich anders entschieden - und ich bin froh darüber. Im Vergleich zu vielen anderen Ausgaben ist diese Zusatzbelastung durchaus angemessen - und wer weiß, vielleicht hilft sie sogar, Kosten an anderer Stelle einzusparen. Nur ein Beispiel:

Wer die jüngste Entwicklung der Jugendhilfeausgaben im Landkreis betrachtet und weiß, dass in Tübingen alleine für Jugendhilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem so genannten "Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom" bei Kindern und Jugendlichen ein Millionenbetrag im Jahr aufgewendet werden - davon zahlt unsere Stadt 44 Prozent - , der kommt schon ins Grübeln, ob es bei derartigen Verhaltensauffälligkeiten keine anderen Lösungen gibt.

Für rund 250.000 Euro Zuschuss pro Jahr jedenfalls wird ein Sportzentrum geschaffen, das für tausende von Kindern und Jugendlichen im Sport Betätigungsmöglichkeiten bietet, im Schul-, im Vereins- und im Freizeitsport. Wer die Begeisterung vieler Kinder und Jugendlicher für den Basketballsport bei den Heimspielen des SV03 in der Uhlandhalle hautnah miterlebt, wer die hervorragende Jugendarbeit unserer Sportvereine näher betrachtet, der weiß, welch' integrative Kraft gerade der Sport für junge Menschen hat.

Dass wir mit dieser, in der Region einmaligen Sporthalle auch noch einen zusätzlichen Anziehungspunkt für unseren Standort schaffen, soll nicht unerwähnt bleiben. So wie wir zahlreiche überregional bedeutsame Kultureinrichtungen haben, die - wie übrigens auch die Universität - überall in der Welt nicht nur für sich selbst, sondern auch als Botschafter für unsere Stadt auftreten und Gäste nach Tübingen ziehen, so wirbt der SV03 mit seinen sportlichen Glanzleistungen in der 2. Bundesliga von Freiburg über Heidelberg bis nach Jena ebenfalls für uns. Gleiches gilt selbstverständlich für die Spitzenturnerinnen und die hervorragenden Leichtathleten. Die neue Sporthalle ist für Tübingen damit insgesamt eine große Chance.

Trotz der Grundsteuererhöhung für 2004 und den weiteren Kürzungen im Haushaltskompromiss sind unsere strukturellen Finanzprobleme nicht gelöst, aber mit dem Haushaltskompromiss wurde zumindest die Handlungsfähigkeit der Stadt wieder hergestellt. Die Verwaltung wird - gemeinsam mit dem Gemeinderat - den eingeschlagenen Weg der Konsolidierung weiter gehen. Die nächsten Konsolidierungsrunden sind schon eingeläutet.

Wir werden auch in Zukunft die von Stadtactuar Sturm beschriebene Bahn nicht verlassen und uns weiter bemühen, Ausgaben möglichst zu beschränken und Einnahmen möglichst zu erhöhen."
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Und zum Schluss noch ein paar Drohungen. Der Firlefanz des gegängelten "Bürgerengagements" soll weiter gehen. Die Bürger sollen alles selber machen, mehr Steuern und Gebühren zahlen, damit ein weiteres Millionengrab in der Südstadt ausgehoben werden kann. Wie wäre es, wenn sich die Stadt auf ihre Kernkompetenz besänne, die Wirtschaft nicht mehr behinderte und nicht überall dort den Kopf hineinsteckte, wo sie nichts versteht? Ist der bisher angerichtete Vermögensschaden von 25 Millionen Euro bei der Oberen Viehweide, der TüArena, den automatischen Parkhäusern der Beraterausgaben für Arthur Andersen und Arras und beim Nicht-Rückkauf der gestohlenen Grafiken nicht genug?
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"In diesem Sinne sollten wir in den kommenden Wochen und Monaten alle Chancen nutzen, die weitere Entwicklung unserer Stadt aktiv voranzubringen. Dazu gehört zum Beispiel:

1. Der Ausbau des Bürgerengagements. In unserer Stadt gibt es bereits heute ein vielfältiges Engagement; allen sei dafür Dank gesagt. Dennoch werden wir diesen Bereich des bürgerschaftlichen Engagements weiter ausbauen und um noch mehr bürgerschaftliche Mitarbeit und Mitverantwortung werben müssen. Bei vielen kommunalen Aufgaben werden wir verstärkt versuchen, auf die Arbeit von Freiwilligen zurückzugreifen. Dies sollten wir nicht als eine Last empfinden.

2. Die Entwicklung von Gewerbebrachen. Mit Hilfe unserer gestärkten und neu ausgerichteten Wirtschaftsförderungsgesellschaft müssen wir - ähnlich der Kultivierung der Schafweiden im 19. Jahrhundert - die Gewerbebrachen nutzen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und - mittel- und langfristig - weitere Flächen für die zukünftige Gewerbeentwicklung zu sichern. Gerade junge Menschen, die z.B. im Bereich der Universität, der Kliniken oder des Technologieparks oder in einem unserer Handwerksbetriebe arbeiten, sollten eine realistische Möglichkeit haben, auch mit ihrer Familie in Tübingen zu bleiben und nicht aus wirtschaftlichen Gründen ins Umland abwandern zu müssen. Gerade angesichts der knapper werdenden Flächen in der Südstadt ist die Brachenentwicklung in nächster Zeit von zentraler Bedeutung. Nur durch ein moderates Bevölkerungswachstum werden wir in den nächsten Jahren unsere gut ausgebaute Infrastruktur finanzieren können. Nur durch eine kontinuierliche Bautätigkeit wird das örtliche Handwerk unterstützt.

3. Stärkung der Altstadt. Das Entwicklungskonzept für die Tübinger Altstadt kann zwar nicht alle Probleme unserer Innenstadt lösen, aber es kann die Beteiligten dabei unterstützen, die große Herausforderung, vor der alle Innenstädte stehen, besser zu meistern.

4. Verbesserung des Stadtmarketings. Für eine bessere Vermarktung unserer Stadt gibt es noch einiges zu tun. Das gemeinsam mit der Universität ins Leben gerufene Projekt "Tübinger Sommer" sollte als eine Möglichkeit begriffen werden, unsere Position im Wettbewerb um Kultur- und Bildungstouristen auszubauen. Dieses Projekt basiert auf den Stärken unserer Stadt und wird mit den Bestandteilen Sommeruniversität, Sommerfestival und Ausstellung in der Kunsthalle sowie dem herausragenden gastronomischen Angebot auf der Platanenallee ein so interessantes Sommerprogramm anbieten können, dass Tübingen als Reiseziel noch attraktiver wird."

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TÜpisch / Rund ums Tübinger Schimpfeck
Tübinger Wochenblatt, Do 22. Januar 2004

TÜpisch: Acht sind zuviel

"Und Anton Brenner mit seiner kleinen aber renitenten PDS-Fraktion gefiel die ganze Richtung nicht und war schon deshalb "dagega". Nicht nur deshalb, auch weil Brenner in den vergangenen Jahren fast als einziger "Oppositionspolitiker" im Tübinger Rathaus äußerlich wahr zu nehmen war, dürfte er sich um sein persönliches Ergebnis bei den anstehenden Kommunalwahlen keine Sorgen machen." ...

Rund ums Tübinger Schimpfeck

"Aber keine Gruppierung konnte auch Pluspunkte in der strategischen Position für die Wahl verbuchen - mit zwei Ausnahmen. FDP-Mann Dietmar Schöning hat als Strippenzieher oder "ehrlicher Makler" gleichzeitig sein persönliches Profil geschärft wie die liberale Ehre gemehrt. Der wird punkten, für sich und seine Mini-Fraktion. Das darf sich wohl auch die kaum größere TÜL/PDS versprechen.

Ihre Rolle als Fundamental-Opposition hat sie durchaus wacker (das heißt: zuerst an der Realität, dann an der eigenen Ideologie entlang) ausgefüllt, indem sie beharrlich die Finger in die echten Wunden legte.

Daran ändert auch das etwas scheinheilige Gezeter mancher Gegner über "Demagogie" und "unerträglichen persönlichen Stil" nichts. Man muss Brenner, Bialas und Strasdeit weder mögen noch eins sein mit ihren Standpunkten, um sie als Salz in der kommunalen Suppe zu schätzen."

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Donnerstag, 22. Januar 2004
Haushalt - Konsolidierungs-Runde schafft Luft
Reutlinger Generalanzeiger, Mi 21. Januar 2004

"Ein Phänomen"

TÜBINGEN. Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer brauchte sich nicht zu sorgen, dass der Leberkäse, der nach der Verabschiedung der Haushalts am Montag gereicht werden sollte, anbrennen könnte. Die Fraktionen, die sich schon Dezember 2003 einig waren, den Etat zu verabschieden, suchten nach Möglichkeiten, um wenigstens zusammen mit der WUT eine Mehrheit zu zimmern. Die WUT gewonnen hat der Kompromiss mit der Zusage, 150 000 Euro für ein "Altstadtbudget" auszuweisen.

"Der Versuch, abzuklären, ob weitere Kürzungen eine Verabschiedung erleichtern könnten", wie Dietmar Schöning (FDP) den neuen Kompromiss bezeichnete, nötigte denn auch gleich zu Beginn der Sitzung dem CDU-Sprecher das Eingeständnis "einer jetzt möglichen Mehrheit" ab. Ansonsten blieben die Christdemokraten bei ihrer Ablehnung der Vorschläge.

Obwohl bereits in der ersten Runde die Erhöhung der Grundsteuer von 410 auf 450 und nicht auf 500 Punkte beschränkt wurde, mochte die CDU aus grundsätzlichen Erwägungen nicht springen. Ulrich Latus war der festen Überzeugung, "dass wir konstruktive Vorschläge gemacht haben". Unter anderem auch, Grundstücke zu verkaufen, um Vermögen umzuwandeln. "Wir setzen auf Bevölkerungszuwachs", so Latus' Perspektive, "deswegen brauchen wir auch baureife Grundstücke."

Kein Verständnis hatte CDU-Mann Latus dafür, auch weiterhin zwei Millionen Euro bei der Grundstücksgesellschaft zu belassen. Nähme man sie in den Haushalt, so seine Rechnung, bräuchte es keine Erhöhung der Grundsteuer.

Wie die anderen Fraktionen auch, mochten die Alternativen in dem Kompromiss ihre Vorstellungen nicht mehr wieder erkennen. Helga Vogel bezeichnete die mit heißer Nadel gestrickten Vorschläge vom Montag trotzdem als wichtig, "um den Haushalt solider zu gestalten". Als ein "Wunder der Haushaltskonsolidierungs-Gespräche" nannte sie die neue Erkenntnis, dass das Sommertheater doch wieder den Weg in den Haushalt gefunden habe, "obwohl sich doch sechs Fraktionen dagegen ausgesprochen hatten".

Dietmar Schöning, der eigentliche Architekt des Kompromisses, bezeichnete den Haushalt frei nach Kiesinger "als Phänomen", freilich konnte er mit Latus' Haltung nichts anfangen. "Der Herr Pi-Latus" wolle wohl seine Hände in Unschuld waschen, Verantwortung übernehme er dabei nicht.

Keinen Erfolg hatte die TÜL/PDS mit ihrem Antrag, die Grundsteuererhöhung "wegen der aus dem Ruder gelaufenen Großprojekte" wie Technologiepark oder Sporthalle zu vertagen. (ric)

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Mittwoch, 21. Januar 2004
Weil es irgendwie weiter gehen muss
Schwäbisches Tagblatt, Mi 21. Januar 2004

Wohl noch nie gab es im Tübinger Rat so wenig Pro und so viel Contra zum Etat-Beschluss

TÜBINGEN. Ein guter Kompromiss, so heißt es, zeichnet sich dadurch aus, dass er den Streitparteien gleichermaßen wehtut. Andererseits gehört aber auch dazu, und das galt bisher für alle Tübinger Etat-Beschlüsse, dass sich die Beteiligten dafür rühmen dürfen, dem ausgehandelten Ergebnis in wesentlichen Punkten den eigenen Stempel aufgedrückt zu haben. Insofern erlebten die wenigen Gäste, die am Montag zum Etat-Finale ins Tübinger Rathaus gekommen waren, ein Novum: Die meisten Stadträte waren zwar froh, dass überhaupt ein Haushalt zustande kam, aber keiner zeigte sich mit dem neuen Zahlenwerk auch nur halbwegs zufrieden.

Einer der zentralen "Knackpunkte", die in der Etat-Runde 2004 die Bildung einer breiteren Haushalts-Mehrheit verhindert haben: Zum Verdruss von CDU, UFW, FL und TÜL/PDS soll das ehemalige Firmenareal von Wurster & Dietz in Derendingen mit zwei Millionen Euro aus der Stadtkasse entwickelt werden. Archivbild: Grohe

Der allgemeine Frust lässt sich leicht erklären: Geben ist seeliger denn nehmen, doch angesichts drastischer Steuerausfälle und eines strukturellen Haushaltsdefizits von über vier Millionen Euro musste der Rat diesmal mehr nehmen, als er geben konnte. Das Knausern machte den Fraktionen, wie vielfach zu hören war, "keinen Spaß mehr". Schon gar nicht im Vorfeld eines Wahlkampfes, in dem man vor den geschröpften Bürger treten muss. Um allzu deftigen Wähler-Watschen vorzubeugen, war es denn auch allen Gruppierungen, egal ob Ja- oder Neinsager, wichtig, sich mehr oder minder weit vom Etat 2004 zu distanzieren. Die meistgehörte Formel des Abends: "Das ist nicht unser Haushalt".

Am meisten Grund zu dieser Feststellung hatte die TÜL/PDS-Fraktion. Sie hätte gern in alter Manier das Füllhorn über die Sozialschwachen ausgeschüttet und das dafür nötige Geld bei den angeblichen "Prestigeprojekten der Oberbürgermeisterin" (Technologiepark, Wirtschaftsförderung, Sporthalle) abgezogen. Dass sich die Etat-Koalitionäre stattdessen auf weitere Zuschuss-Kürzungen verständigten, fand Gerlinde Strasdeit "das Allerletzte", weswegen es für das TÜL/PDS-Trio nur konsequent war, den Haushalt empört abzulehnen.

Von der CDU war nichts anderes zu erwarten. Deren Doppelspitze Ulrich Latus und Dieter Pantel hatte schon vor Monaten klargestellt, dass sie bei einer Erhöhung der Grundsteuer nicht mitspielen würden. Ersatzweise wollte die größte Ratsfraktion die Löcher mit weitergehenden Einsparungen (zumal im Kulturbereich) und mit umfangreichen Verkäufen aus dem städtischen Grundbesitz stopfen.
Zudem forderte die CDU die zwei Millionen Euro, die der Wirtschaftsförderungs-GmbH (WIT) zur Belebung von Gewerbebrachen überwiesen wurden, für die Stadtkasse zurück. Nicht zuletzt, weil sie auch diesmal den heftig kritisierten "Einstieg in spekulative Grundstücksgeschäfte" nicht stoppen konnten, fanden die Christdemokraten den Etat-Kompromiss rundum "enttäuschend".

Überraschend machte erstmals auch die Freie Liste die WIT-Millionen zu ihrem "Knackpunkt". Einst eine entschiedene Befürworterin dieser Art der Stadtentwicklung, hält es die FL inzwischen für "utopisch", dass damit etwas zu erreichen sei. Sie hätte die zwei Millionen gern abgegriffen, um die Kürzungen im Sozialbereich zu vermeiden, und aus gleichem Grund auch die Grundsteuer nicht nur um zehn, sondern um zwanzig Prozent erhöht. Weil sie beides nicht bekam, zog sich die FL verärgert zurück. "Das Fass zum Überlaufen" brachte laut Joachim Gellert letztlich aber ein eher symbolischer Betrag: "Wenn überall gestrichen wird, kann man nicht mit 15000 Euro ein neues Projekt, den Theatersommer, hochziehen."

Die UFW stand die ganze Etat-Runde über ziemlich eng an der Seite der CDU, mit der sie konsequent gegen die Grundsteuer-Erhöhung und für die Heimholung des WIT-Kapitals stritt. Am Ende fand Fraktionschef Kurt Friesch kaum einen vernünftigen Grund, das ungeliebte Kompromiss-Paket per Stimmenthaltung passieren zu lassen - außer diesem: "Wenn wir den Etat blockieren, schaden wir den Handwerkern, die auf die Aufträge der Stadt angewiesen sind."
Ähnlich argumentierte WUT-Chef Hermann-Arndt Riethmüller, der in manchen Punkten mit CDU und UFW einig war und überdies noch wesentlich größere Einsparungen (vor allem bei der Kinderbetreuung) gefordert hatte. Da er als Verfechter einer aktiven Grundstückspolitik ("Die WIT-Millionen sind eine dringend nötige Investition in die Zukunft") jedoch keine Chance sah, mit CDU und UFW eine eigene Mehrheit zu bekommen, hielt er mit vier seiner Fraktionskollegen bei der Abstimmung still.

Die restlichen drei Fraktionen, die es mit OB Brigitte Russ-Scherer schließlich auf 21 Ja-Stimmen brachten, einte vor allem die Ablehnung der "Knackpunkte" der Mehrheit, die selber nicht zusammenfand. Weitere Kürzungen bei den laufenden Ausgaben kamen für Helga Vogel von der AL nicht in Frage, weil die Verwaltung kaum noch mehr als die von ihr angebotene "globale Minderausgabe" (1,4 Millionen Euro) einsparen könne.

Ebenso entschlossen wies FDP-Rat Dietmar Schöning den verstärkten Einsatz von städtischem Grundvermögen als unverantwortlichen Ausverkauf zurück. Dann schon lieber eine maßvolle Erhöhung der Grundsteuer. Um der Stadt "viele Grausamkeiten im sozialen Bereich" zu ersparen, hätte die SPD laut Erika Braungardt-Friedrichs die Grundsteuer gern noch höher geschraubt. Weil dazu aber außer der FL niemand bereit war, bissen die Sozis nolens-volens in den sauren Kompromiss-Apfel.

Fazit: Keine Fraktion bekam einen Etat, mit dem sie im Wahlkampf groß hausieren gehen wird. Wer ihn beschloss oder zumindest nicht blockierte, entschied sich für das rundum als ziemlich groß empfundene kleinere Übel. Auch die Oberbürgermeisterin: "Es ist nicht der Haushalt der Verwaltung. Wir müssen viel schlucken, aber wir nehmen das hin, weil es doch irgendwie in Tübingen weiter gehen muss." Sepp Wais

Wie teuer wird die Grundsteuer?

Die beschlossene Grundsteuer-Erhöhung bringt der Stadt jährliche Mehreinnahmen von etwa einer Million Euro. Wer wissen will, wie viel er dafür berappen muss, kann sich das leicht ausrechnen: 9,75 Prozent mehr als letztes Jahr. Bei den meisten (in aller Regel unterbewerteten) Altbau-Wohnungen macht der Aufschlag höchstens 15 Euro aus. Bei neueren Wohnungen reicht das Plus - je nach Größe - von 10 und 80 Euro, bei den nobelsten Einfamilienhäusern bis zu 300 Euro. Härter trifft es einige Betriebe, die mitunter 10 000 oder 20 000 Euro Grundsteuer bezahlen müssen. Vom größten Tübinger Grundsteuer-Zahler kassierte die Stadt bisher 44 000 Euro und künftig etwa 48 300 Euro pro Jahr.

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