Mittwoch, 9. Juni 2004
Russ-Scherer, Gerd Weimer und Ulla Schreiber wählen Architekten für 6 Millionen-Projekt aus - ohne Ausschreibung. Nach Beschlusslage des Gemeinderats müsste ab einer Bausumme von 75000 Euro ausgeschrieben werden.
Schwäbisches Tagblatt: 09.06.2004
„Schüler-Mensa an Stelle der Kepi-Aula

Mit einer überraschenden Hau-ruck-Planung will die Stadt den Uhlandstraßen-Schulen weiterhelfen

(...) Rund 5790000 Euro würde das Vorhaben kosten. 758 000 Euro davon werden laut Baubürgermeisterin Ulla Schreiber an der Stadt hängen bleiben, wenn Tübingen den 90-Prozent-Zuschuss aus dem Bundestopf bekäme. Das Oberschulamt habe bereits signalisiert, dass dieser Aula-Mensa-Neubau durchaus Förder-Chancen hätte. Bis 30. Juni aber sollte der städtische Antrag dafür vorliegen – und zwar mit allen nötigen Plänen und Unterlagen.

Damit der Kultur- und Schulausschuss des Gemeinderats darüber am 17. Juni beraten könne, hatte das städtische Baudezernat die Planung des Projekts über einen „eintägigen Entwurfs-Workshop“ mit den Tübinger Architektur-Büros Ackermann und Raff, Baisch-Fritz und Log ID voran getrieben. Log ID hatte auf Honorarbasis schließlich die nötige „Vorentwurfsplanung“ ausgearbeitet.

Dies gefiel TüL/PDS-Stadtrat Anton Brenner nun gar nicht: „Sie können uns doch hier nicht mit einem fertigen Plan überfallen“, schimpfte er und bezeichnete das Vorgehen von Ober- und Baubürgermeisterin als „völlig illegal“. Angesichts des zuschussbedingten Zeitdrucks und der Bedeutung des Mensa-Projekts für die Uhlandstraßen-Schulen teilten die anderen Räte diese Meinung aber nicht: Das Verfahren sei „korrekt“ und „nicht zu beanstanden“, hieß es. CDU-Fraktionschef Ulrich Latus fügte an: Es sei „begrüßenswert“, dass die Rathausspitze eine erfolgversprechende Lösung gesucht habe.“

Zum Artikel im Schwäbischen Tagblatt vom 9.6.2004: „Schüler-Mensa an Stelle der Kepi-Aula“

Ein „Workshop“ ohne Beteiligung des Gemeinderats wählt einen alten Bekannten der Baubürgermeisterin als Architekten aus. Pläne 1:100 sind ausgearbeitet. Das Projekt wird 5,79 Millionen Euro kosten. Nach einem Beschluss des Gemeinderats müssen Architektenaufträge ab einer Bausumme von 150 000 DM ausgeschrieben werden. Aus gutem Grund. Wegen Eilbedürftigkeit wurde also ein Vorhaben, das 77 mal mehr kostet, freihändig vergeben. Das wird die anderen Tübinger Architekten aber freuen. Wenn Tübinger Handwerker 50 Euro teurer anbieten als Konkurrenten aus München oder Freiburg, sind sie weg vom Fenster. Da ist die Stadt überkorrekt.

Aus dem Gemeinderat heraus ist die Verwaltung schon im letzten Jahr zur Aktivität angetrieben worden. Da ist es vollends unverständlich, dass keine Zeit für eine Vorinformation blieb. Meine Stadtratskollegen haben wie so oft die Faust im Hosensack geballt und gute Mine zum bösen Spiel gemacht. Sie hoffen darauf, dass der endgültige Planungsauftrag damit noch nicht feststeht. Gerd Weimer hat mich nach der Sitzung beschworen, die „Hau-ruck-Planung“ (Schwäbisches Tagblatt) nicht zunichte zu machen, durch seine guten Beziehungen zum Oberschulamt habe er das alles für Tübingen erreichen können. Gute Beziehungen in allen Ehren, aber nach der freihändigen Vergabe des Verfügungsgebäudes des Technologieparks an Conarenco erinnert dieses neue Bubenstück an Zustände in Bananenrepubliken.

Anton Brenner
Fraktionsvorsitzender der TÜL/PDS im Tübinger Stadtrat