Sonntag, 1. August 2004
Mittwochspalte: "Zieht Schwarz-Grün die gelb-rote Karte?"
Schwäbisches Tagblatt, Mi 28. Juli 2004

Tübingen hat den ultimativen matrixgesteuerten Leuchtturm-Event: Die permanenten geschmacklosen Wochen im Rathaus. Schon vor der Wahl war hinter der Tür ausgemacht, dass Riethmüllers WUT die UFW übernimmt. Zur Wahl trat man getrennt an, um mehr Sitze zu ergattern, plauderte Trickser Horn (WUT) aus. Wer UFW wählte, bekam WU-FW. Riethmüller propagierte schon vor der Wahl, was längst hinter der Rathaustür ausgemacht ist: Das Zimmertheater wird dicht gemacht und fungiert in Zukunft als Außenspielstätte des LTT.

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft steckt 3 Millionen in das Kasino. Pächter: WU-FW-Stadtrat Horn. Die Öffentliche Hand macht 650 000 Euro für das Sternwartenlokal locker: Pächter WU-FW-Stadtrat Siebert. Das soziale Engagement der Oberbürgermeisterin für die beschützende Werkstatt WU-FW ist rührend.

Je 25 000 Euro Jahresprämie erhalten die drei Stadtwerkedirektoren. Als die Stadtwerke noch besser wirtschafteten genügte ein Direktor mit 115 000 Euro. Nach dem Desaster mit den automatischen Parkhäusern ist eine Steigerung auf 375 000 Euro Ehrensache. Und die SPD regt noch an, die Gaspreise nach oben zu drehen, damit die Erfolgsprämien weiter gerechtfertigt sind.

Ebenso öffentlich wie das Prämierungssystem ist das Abstrafsystem der SPD-Oberbürgermeisterin. Kritischen Verwaltungsmitarbeitern werden die Bleistifte gezählt, sie müssen mit Kündigung, der Staatsanwaltschaft und der Gemeindeprüfungsanstalt rechnen. Wer, nicht nur als Stadtrat, nicht gleich spurt, kann auf einen städtischen Auftrag, die Genehmigung für sein Bauprojekt oder die Verwertung seiner Grundstücke auf den St. Nimmerleinstag warten. Und das System funktioniert.

19 Sitze haben WU-FW und SPD zusammen. Das reicht nicht für eine Mehrheit, zumal die Stadträte Gehr (WU) und Bosch (FW) sich ihre Ehre nicht abkaufen lassen werden. Bei den Grünen und der CDU geht die Angst vor den U-Boten der Oberbürgermeisterin um. Wie bei der WU-FW hört Frau Russ-Scherer mit, weshalb nicht mehr offen diskutiert werden kann.

Werden sich die Grünen und die CDU in das System Russ-Scherer einbinden lassen? Sie wären schon im Vorfeld der Oberbürgermeisterwahl 2006 blamiert und bräuchten sich keinen Gedanken über Alternativkandidaten machen.

Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Koalitionen. Grüne, CDU, TÜL/PDS und FDP haben auch nach Abzug der Wackelkandidaten eine klare Mehrheit und mit Dietmar Schöning einen erfahrenen Koordinator, - wenn sie es nur wollen und sich selbst nicht bereits aufgegeben haben.

Anton Brenner, Fraktionsvorsitzender der TüL/PDS