Dienstag, 14. Dezember 2004
Schwäbisches Tagblatt: Montagsdemo im Rathaus
Presse-Bericht in: Schwäbisches Tagblatt, 14.12.2004

Tübinger Gemeinderat bleibt unbeeindruckt und beschließt städtische Ein-Euro-Jobs


Bild: Metz

Rederecht erhielten die Montagsdemonstranten gestern im Sitzungssaal des Tübinger Rathauses nicht. Doch Plakate und Gesichter sprachen Bände. Der Protest gegen die Einführung städtischer Ein-Euro-Jobs blieb jedoch vergeblich.

TÜBINGEN (uha). So öffentlich war in Tübingen eine Gemeinderatssitzung schon lange nicht mehr. Um die 100 Montagsdemonstranten drängten gestern kurz vor 20 Uhr in den großen Sitzungssaal im Rathaus. Ihr Ziel erreichten sie nicht. Begleitet von lauten Protestpfiffen und enttäuschten Kommentaren der HartzIV-Gegnerinnen und Gegner beschloss eine satte Ratsmehrheit die Einführung städtischer Ein-Euro-Jobs.

Die Zahl bröckelt, aber es sind immer noch über 100 Männer und Frauen, die in Tübingen Montag für Montag gegen die HartzIV-Gesetze der rot-grünen Bundesregierung auf die Straße gehen, gestern schon zum 17. Mal. Doch dieses Mal fand die Kundgebung nicht wie gewohnt auf dem Holzmarkt statt, sondern auf dem Marktplatz. Schließlich ging es gestern auch im Rathaus um die so genannten Ein-Euro-Jobs, mit denen sich die Bezieher von Arbeitslosengeld II künftig ein Zubrot verdienen können – für ein von der Agentur für Arbeit subventioniertes Entgelt zwischen ein und zwei Euro die Stunde. Ganz freiwillig ist dieses Angebot nicht. Denn bei Verweigerung droht die Kürzung des auf dem bisherigen Sozialhilfeniveau angesiedelten Arbeitslosengeldes.

Insgesamt 30 dieser Ein-Euro-Jobs will die Stadt einrichten. Dagegen machten schon während der Kundgebung die Rednerinnen und Redner mobil, allen voran die Gemeinderätin Gerlinde Strasdeit. Ihre Fraktion, die TÜL/PDS, hatte im Vorfeld der gestrigen Ratssitzung einen Antrag eingebracht, seitens der Stadt auf die Ein-Euro-Jobs zu verzichten und auch keine freien Träger finanziell zu fördern, die derartige „unwürdige Beschäftigungsverhältnisse“ anbieten.

Zwar stünde in der Vorlage der Verwaltung, diese Zusatzjobs dürften keine regulären Beschäftigungsverhältnisse verdrängen. Doch, so Strasdeit, genau dies sei der Fall. In den fraglichen Bereichen habe man schon zig Stellen gestrichen. „Mit den Ein-Euro-Jobs werden jetzt sogar bestehende geringfügige Arbeitsverhältnisse kaputt gemacht.“

Auf dem Marktplatz bekam sie für ihre Argumente viel Beifall. Im Ratssaal, wohin sich nach offizieller Auflösung der Montagsdemo die meisten der Demoteilnehmer begaben, fand Strasdeit damit kein Gehör. Zwar wurde die Debatte um die Ein-Euro-Jobs vorgezogen. Am Ende jedoch stimmten mit den vier Vertretern von TÜL/PDS nur drei Mitglieder der Grün-Alternativen Liste gegen die Ein-Euro-Jobber im Auftrag der Tübinger Stadtverwaltung (weiterer Bericht folgt).