Montag, 24. November 2003
Umfrage: Von den Reichen das Sparen lernen
Schwäbisches Tagblatt online - www.tagblatt.de, Sa 1. 11. 2003

Umfrage: Von den Reichen das Sparen lernen

Jetzt ist doch tatsächlich das eingetreten, was die größten Skeptiker und die lautesten Kritiker der endlosen Umbau-, Reform- und Sparrunden seit Monaten grau in schwarz an die Rathauswand malen: Die Stadt Tübingen will ihren Arbeitern, also jenen Mitarbeitern, die am schlechtesten bezahlt werden, die Hälfte der letztverbliebenen übertariflichen Leistung, die so genannte Leistungszulage wegnehmen.

Das träfe dann insbesondere Müllwerker und Putzfrauen. Es sind in der Mehrzahl erfolgreiche Selbständige, wohlbestallte Beamte, gut situierte Pensionäre und Rentner, Angestellte und Lehrer aus den Reihen von CDU, SPD, UFW, WUT und FDP, die jetzt für diesen Verwaltungsantrag stimmten.

Sämtliche bisher gewährten Zulagen werden nun zum Jahresende gekündigt. Falls der Gemeinderat bei der im November beginnenden Haushaltsrunde noch Spielraum sehen sollte, kann er die Hälfte der bisher bezahlten Zulagen, nämlich 42000 Euro pro Jahr, nach vorher auszuarbeitenden, "transparenten Kriterien" neu ausloben. Leistung soll sich wieder lohnen!

Es ist selbstredend nicht die Schlechtigkeit der Verwaltungs-Oberen, die solches alleine anzettelt. Ursache ist wie derzeit immer die miserable Finanzverfassung, in der sich eben auch die Kommune befindet. Zudem unternahm der im Frühjahr in Pfrondorf krisentagende Rat selbst den Vorstoß und gab bei der Verwaltung den Kahlschlag in Auftrag.

Da städtische Angestellte nicht über den Sätzen des Tarifvertrags und Rathaus-Beamte nicht besser bezahlt werden, als es die Besoldungsordnung vorschreibt, blieb nur, die Geringstverdiener zu schröpfen. Nicht ganz, muss man hier einschränken: Personal-Ab- und Ämter-Umbau belasten unter anderem auch höhere Chargen in Form von Mehrarbeit. Aber ihr Portemonnaie blieb verschont.

Die angepeilte Kürzungssumme von rund 40000 Euro ist angesichts des 6,5-Millionen-Lochs im nächsten Stadt-Etat ein Klacks. Aber für manche Putzfrau, so sagte die städtische Personalratsvorsitzende Anneliese Schreiner warnend, macht die Kürzung just den Unterschied zur Sozialhilfe aus.

Etwas mehr, nämlich rund 50000 Euro jedes Jahr, wären gespart, wenn die Oberbürgermeisterin und die drei Beigeordneten ihre Zulagen, die 48 Stadträte ihre Sitzungsgelder um jeweils ein Viertel kürzen würden.

Doch danach sieht es leider nicht aus. Schon im Mai lehnte der Rat in eigener Sache eine zehnprozentige Kürzung seiner Aufwandsentschädigung ab. Solche Abstriche würden das politische Gewicht des Rats gegenüber der Verwaltung mindern, war damals das Argument. Ob es die Demokratie stärkt, wenn die Fraktionen jetzt die Schwächsten schwächen?

Spart die Stadt Tübingen bei den Falschen? Diskutieren Sie mit:

Die Meinungen unserer Surfer/innen:

6.11.2003 20:24
Die Frage, ob die Stadt bei den Falschen spart, ist wohl eindeutig mit ja zu beantworten. In diesem Zusammenhang fiel mir wieder der geniale Vorschlag der OB ein, professionelle ErzieherInnen in den Kindertagesstätten etc. durch Ehrenamtliche zu ersetzen. Warum ersetzen wir nicht die OB durch eine Ehrenamtliche? Bei dem Gehalt der OB von 7000 Euro ungrad könnte die Kommune auf Dauer viel sparen und das Geld sinnvoller einsetzen. Kürzen bei denjenigen, die eh am Wenigsten haben, durch die, die am Meisten haben, ist schon ein beachtlicher Zynismus.
 Polli 

6.11.2003 00:12
Während die OB-in Japan zum bestimmt netten Gedankenaus-tausch über Stadtentwicklung plaudert, machen sich die Tübinger Putzfrauen und Arbeiter derweil um ein weiteres Stück Kürzung ihres Gehaltes Sorgen. Das nennt man dann Vorbild-funktion oder ?
 hd bauschert 

3.11.2003 20:21
Das alle spraren müssen, ist klar. Und zur Not auch die Allerärmsten. Unfair wird es, wenn an anderer Stelle das Geld zum Fenster hinausgeworfen wird. Und das kann man der OB wirklich vorwerfen
 Frauke 

2.11.2003 23:56
Die OB will bei Ihren Prestigeprojekten Großsporthalle, Technologie-Park und AfroBrasil keinen Cent sparen. Sozialinitiativen, kleine Kulturvereine und städtische Bedienstete sollen es ausbaden! Diese Politik ist unsozial! Bei der nächsten OB-Wahl wieder anzutreten, dass kann sich die OB auch gleich sparen! Bei der Kommunalwahl gehört die angeblich soziale SPD abgestraft! Das ist Wahlbetrug!
 Frederico Elwing 

2.11.2003 21:35
Die sogenannten "Sozialdemokraten" hängen doch nur noch am Rockzipfel ihrer Chefin. Die einzigen, die sich noch getrauen sozialdemokratisches Handeln einzufordern sitzen peinlicherweise bei der TÜL/PDS
 M.Scholpp 

2.11.2003 16:53
Die Amtsführung der Oberbürgermeisterin ist nicht mehr von sozialer Einstellung geprägt. Wie kann man bei derart desolater Haushaltslage dann noch den Bau einer neuen Sporthalle verantworten???
 Horst Schmidt 

2.11.2003 15:24
Wie wäre es gewesen, man hätte die neue Sporthalle weggelassen?
 Frauke 

1.11.2003 22:53
Die Stadt spart an den Falschen! Tübingen soll die Gehälter der Gemeinderäte/innen kürzen - die verdienen eh zu viel und machen auch nen Haufen Mist!!
 Alex 

1.11.2003 20:00
die müllwerker lassen dann einfach die eine oder andere tonne der herren stadträte stehen...
 mike