Donnerstag, 27. November 2003
Walter Jens: »Reiner Karteivorgang«
tuel-pds, 01:26h
Reutlinger Generalanzeiger, Mi 26.11.2003
NSDAP-Mitgliedschaft - Der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens hat ein gutes Gewissen
»Reiner Karteivorgang«
TÜBINGEN. Der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens hat im Zusammenhang mit seiner jetzt entdeckten NSDAP-Mitgliedschaft »ein reines Gewissen«. Er habe nichts zu verbergen und es habe für ihn auch nie einen Grund zum Vertuschen gegeben, »aber ich muss ja von der eigenen Vergangenheit erst einmal etwas wissen, bevor man sich outen kann«, sagte Jens. Ein Antrag auf Parteimitgliedschaft liege nicht vor und eine Mitgliedskarte sei ihm nie ausgehändigt worden. »Das muss ein reiner Karteivorgang eines HJ-Jahrgangs gewesen sein.«
Der 80-jährige Ehrenpräsident der Berliner Akademie der Künste reagierte damit auf die Darstellung des im Dezember erscheinenden »Internationalen Germanistenlexikons 1800-1950«. Danach ist Jens am 1. September 1942 in die NSDAP aufgenommen worden. Dies gilt den Akten zufolge unter anderem auch für die Germanisten Peter Wapnewski und Walter Höllerer.
Ganze Jahrgänge übernommen
«Ich war kein Widerstandskämpfer. Ich war in der Hitler-Jugend, ich war 19«, sagte Jens jetzt dazu. Wenn er als Jugendlicher einen Fehler gemacht haben sollte, dann habe er ihn »weiß Gott wieder gutgemacht«. Er denke nicht daran, sich nach über 60 Jahren einem »Spruchkammer-Verfahren« zu stellen. Er werde jedoch alles tun, um zu beweisen, dass es seinerzeit die Überführung von ganzen Jahrgängen der Hitler-Jugend und anderer Organisationen oder Teilen von ihnen gegeben habe, wofür es eine Reihe von Zeugen gebe. »Davon haben höchstens die Eliten der HJ etwas erfahren.«
Vielleicht ein »Generalwisch«
Einen Grund zum Vertuschen habe er nicht, betonte Jens. »Das war nach bestem Wissen und Gewissen bis zum Erweis des Gegenteils ein reiner Karteivorgang. Ich hatte und habe ein reines Gewissen. Aber niemand kann Irrtümer ausschließen, dass zum Beispiel auf einer großen Versammlung damals ein »Generalwisch« unterschrieben wurde.« Er habe auch nie Mitgliedsbeitrag gezahlt. »Ich war wohl, wie Wapnewski sagt, ein unwissender Parteigenosse. Auch damit muss man sich selbst konfrontieren, wenn man es im Nachhinein erfährt. Natürlich denkt man jetzt über seine eigene Vergangenheit nach, ohne dass ich etwas zu korrigieren hätte.«
Stadtrat Anton Brenner (TÜL/PDS) hat gefordert, den Ältestenrat des Tübinger Gemeinderats einzuberufen. »Wir müssen darüber beraten, wie wir damit umgehen, dass wir ein ehemaliges NSdAP-Mitglied zum Ehrenbürger Tübingens gemacht haben.« Walter Jens ist am 1. Dezember vergangenen Jahres zusammen mit der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard und dem Theologen Hans Küng zum Tübinger Ehrenbürger ernannt worden. (dpa/GEA)
NSDAP-Mitgliedschaft - Der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens hat ein gutes Gewissen
»Reiner Karteivorgang«
TÜBINGEN. Der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens hat im Zusammenhang mit seiner jetzt entdeckten NSDAP-Mitgliedschaft »ein reines Gewissen«. Er habe nichts zu verbergen und es habe für ihn auch nie einen Grund zum Vertuschen gegeben, »aber ich muss ja von der eigenen Vergangenheit erst einmal etwas wissen, bevor man sich outen kann«, sagte Jens. Ein Antrag auf Parteimitgliedschaft liege nicht vor und eine Mitgliedskarte sei ihm nie ausgehändigt worden. »Das muss ein reiner Karteivorgang eines HJ-Jahrgangs gewesen sein.«
Der 80-jährige Ehrenpräsident der Berliner Akademie der Künste reagierte damit auf die Darstellung des im Dezember erscheinenden »Internationalen Germanistenlexikons 1800-1950«. Danach ist Jens am 1. September 1942 in die NSDAP aufgenommen worden. Dies gilt den Akten zufolge unter anderem auch für die Germanisten Peter Wapnewski und Walter Höllerer.
Ganze Jahrgänge übernommen
«Ich war kein Widerstandskämpfer. Ich war in der Hitler-Jugend, ich war 19«, sagte Jens jetzt dazu. Wenn er als Jugendlicher einen Fehler gemacht haben sollte, dann habe er ihn »weiß Gott wieder gutgemacht«. Er denke nicht daran, sich nach über 60 Jahren einem »Spruchkammer-Verfahren« zu stellen. Er werde jedoch alles tun, um zu beweisen, dass es seinerzeit die Überführung von ganzen Jahrgängen der Hitler-Jugend und anderer Organisationen oder Teilen von ihnen gegeben habe, wofür es eine Reihe von Zeugen gebe. »Davon haben höchstens die Eliten der HJ etwas erfahren.«
Vielleicht ein »Generalwisch«
Einen Grund zum Vertuschen habe er nicht, betonte Jens. »Das war nach bestem Wissen und Gewissen bis zum Erweis des Gegenteils ein reiner Karteivorgang. Ich hatte und habe ein reines Gewissen. Aber niemand kann Irrtümer ausschließen, dass zum Beispiel auf einer großen Versammlung damals ein »Generalwisch« unterschrieben wurde.« Er habe auch nie Mitgliedsbeitrag gezahlt. »Ich war wohl, wie Wapnewski sagt, ein unwissender Parteigenosse. Auch damit muss man sich selbst konfrontieren, wenn man es im Nachhinein erfährt. Natürlich denkt man jetzt über seine eigene Vergangenheit nach, ohne dass ich etwas zu korrigieren hätte.«
Stadtrat Anton Brenner (TÜL/PDS) hat gefordert, den Ältestenrat des Tübinger Gemeinderats einzuberufen. »Wir müssen darüber beraten, wie wir damit umgehen, dass wir ein ehemaliges NSdAP-Mitglied zum Ehrenbürger Tübingens gemacht haben.« Walter Jens ist am 1. Dezember vergangenen Jahres zusammen mit der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard und dem Theologen Hans Küng zum Tübinger Ehrenbürger ernannt worden. (dpa/GEA)