Mittwoch, 7. Januar 2004
Silvester-Umfrage 2003: Vorsicht, wenn jemand das Jammern verunglimpft
Schwäbisches Tagblatt, Mi 31. Dezember 2003

Ich jammere am liebsten, wenn es mir gut geht. Vielleicht auf Vorrat. Worüber ist egal. Wenn in der Politik und am Aktienmarkt das Gejammere und Gezeter am größten ist, hat der Aufschwung bereits begonnen. Auf den Jammer-Indikator ist Verlass. Von Berlin bis Tübingen nutzen alle die letzte Chance, Verschlechterungen und Sozialabbau durchzusetzen. Solange es abwärts ging, beherrschten Durchhalteparolen und Zweckoptimismus die Debatte. Vorsicht, wenn jemand das Jammern verunglimpft und das "Positiv-Denken" als Betäubungsgetränk anbietet! Als Vertreter des Tübinger Weinbaus empfehle ich, für das Leben vor dem Tode Jesajas Vision der Apokalypse zu bedenken: "Der Wein ist dahin, die Rebe verwelkt . . . Man trinkt keinen Wein mehr bei frohem Gesang . . . Auf den Gassen jammern die Leute: Es gibt keinen Wein mehr! Jede Freude ist verschwunden . . ." (Jes.24, 7-11). Das Bejammernswerte am hervorragenden neuen Jahrgang des Tübinger "Chardonnay du Gog" und der "Roten Kapelle" ist der geringe Ertrag wegen des zu trockenen Sommers. Oh jerum, wenn das so weitergeht!

Anton Brenner, Stadtrat der Tübinger Linken,
Religionslehrer und Hobby-Wengerter, Tübingen