Donnerstag, 26. Februar 2004
Leserbrief: Russ-Scherer, ihr Wächterrat, das Bilderverbot und die Parvenü-SPD
Unter fundamentalistischen Muslimen "herrscht Konsens darüber, dass die wirklich heiligen Persönlichkeiten .. selbst nicht dargestellt werden sollten, weil jede Darstellung solch heiliger Personen die Gefahr der Entwürdigung beinhaltet." (Muslim-Markt.de) Christoph Müller diskutiert mit Hans Küng im Matinee-Gespräch noch über das Thema, während sich Russ-Scherer und ihr Wächterrat mit Ströbel an der Spitze bereits festgelegt haben. Die Angst vor Karikatur und Spottbild begleitet die Debatte um das Bilderverbot vom Alten Testament über den protestantischen Bildersturm bis ins postpietistische Tübingen.

Spöttische T-Shirts, Kartenspiele und Etiketten werden von Prominenten nicht gern gesehen, Aufsteiger reagieren besonders allergisch. Wer Elite ist und sich nicht so nennen muss, reagiert gelassen. Zuletzt wies der Bundesgerichtshof am 30.9.2003 eine Klage von Ron Sommer gegen eine Fotomontage ab. Die Montage sei einer Karikatur vergleichbar und sei somit eine zulässige Meinungsäußerung, so der BGH. Die gebotene Güterabwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Art. 5 GG geht in den meisten Fällen zugunsten der Satire aus. Anders in Tübingen, der Hauptstadt der Realsatire?

Besonders der Parnenü-Flügel der SPD, dem auch das Tübinger Rathaus in die Hände gefallen ist, duldet keine Majestätsbeleidigung. Weder Überlegungen über Schröders Haarfarbe noch Weinetiketten entgehen den Pasderans der Neuen Mitte. Vielleicht finden sie bis zum 1. April die 7. Flasche und die passiv-legitimierte richtige Adresse! Mein Tipp: Google Suche: "russ-scherer" oder "tuel-pds.de". Interessanter sind jedoch die politischen Streiche der Aufsteiger-SPD.

Weshalb ist die Neue-Mitte-SPD in der Wirtschafts- und Sozialpolitik wesentlich rabiater als die Konservativen? Weshalb müssen wir, zusammen mit Herrn Kost, Latus und Pantel von der CDU, oft die schlimmsten unsozialen Auswüchse im Tübinger Rathaus verhindern? Weshalb der Schmarren von Elite-Universität von dieser SPD? Prof. Michael Hartmann versuchte in "konkret" eine Antwort: "In der SPD gibt es einen maßgeblichen Teil, der durch Öffnung der Bildungssysteme in den sechziger Jahren aufgestiegen ist und nun die Universitäten für seinen eigenen Nachwuchs nach unten abschotten will. Dieses Phänomen findet man bei Aufsteigern oft."
Anton Brenner


Anton Brenner, Stadtrat der Tübinger Linken