Donnerstag, 4. März 2004
Das Land muss beim Sparen helfen
Schwäbisches Tagblatt, Do 4.3.2004

Kreistag fordert höheren Finanzausgleich und mehr Aufgabenabbau im Zug der Verwaltungsreform

KREIS TÜBINGEN (ran). Tübingens Landrat Joachim Walter hatte die geplante Verwaltungsreform in seinem Entwurf als "herausragenden Beitrag zu einer noch bürgerfreundlicheren Verwaltung" gelobt. Doch die Kreistagsmehrheit gab gestern einer eher nüchternen Stellungnahme den Vorzug.

Als Kommentar fürs Ministerium wurde ein gemeinsamer Antrag von FWV, CDU und SPD verabschiedet, die Kreisverwaltung zog ihren Beschlussvorschlag zurück. Es sei zu befürchten, dass auf die Städte und Gemeinden "erhebliche finanzielle Mehrbelastungen zukommen", heißt es nun. Deshalb akzeptiere der Kreis Tübingen den Gesetzentwurf nur, wenn das Land seine Zusicherung einhält, keine Lasten auf die Kommunen zu verschieben. Die Reform dürfe "keinesfalls" zu einer Erhöhung der Kreisumlage führen.

Im einzelnen fordert die Kreistagsmehrheit, dass der vorgesehene Finanzausgleich nachgebessert wird. Außerdem brauche man eine "Revisionsklausel", damit zu niedrige Zuweisungen später erhöht werden können. Und das Land müsse die geforderte Senkung der Verwaltungskosten um zwanzig Prozent in sieben Jahren durch "konsequenten Aufgaben- und Standardabbau" unterstützen. "Hier muss was passieren", sagte Joachim Walter: "Wir sind überreguliert und wir blockieren uns selbst." Der Landrat sicherte dem Kreistag zu, ihn stets eingehend über die Umsetzung der Reform und ihre finanziellen Folgen zu informieren.

Auf Antrag der FDP/WUT-Fraktion wurde in den Beschluss auch der Wunsch aufgenommen, die Zuständigkeit für das Naturschutz- und das Wassergesetz auf die großen Kreisstädte und Verwaltungsgemeinschaften übertragen zu dürfen. Den großen Fraktionen, sagte Gerd Weimer (SPD), komme es nämlich auf eine möglichst breite Mehrheit an, damit die Stellungnahme des Kreises nicht völlig ungehört verhallt. Denn sie sei nur eine von ungefähr 400, die im Staatsministerium eingehen werden.

FDP und WUT stimmten trotzdem nicht zu. Sie trügen zwar die einzelnen Forderungen von FWV, CDU und SPD mit, nicht jedoch den Tenor des Antrags, sagte Dietmar Schöning. Es sei gerade der Ausgangspunkt der Reform, dass die Kreise (voreilig, wie Manfred Hofelich fand) angeboten hätten, eben jene Effizienzrendite zu erwirtschaften: "Davon kann man sich nicht gedanklich davonstehlen."

Neben Gerhard Bialas (TüL/PDS), der den verfrühten Beschluss für einen Landratsamts-Neubau kritisierte und den Kreis schon als "kleines Fürstentum" vor sich sah, kritisierte nur die Grünen-Sprecherin Sabine Schlager die Reform grundsätzlich. Die Verwaltung werde gerade nicht effizienter und bürgerfreundlicher. Was gravierender sei: "Die Sonderbehörden verlieren ihre Stimme." Manfred Hofelich (FWV) charakterisierte die Reform dagegen trotz aller Bedenken, dass die Gemeinden ihr Zahlmeister werden könnten, für überfällig. Sein Befinden beschrieb er jedoch mit einer Formulierung aus dem Freudenstädter Kreistag, die er in der Zeitung gelesen hatte: Dort war von "Hilflosigkeit gegenüber der Reformwalze des Landes" die Rede. Klaus Tappeser (CDU) äußerte dagegen Verständnis für das Vorgehen des Ministerpräsidenten. Eine solche Reform laufe Gefahr, zerredet zu werden. Trotz mancher Befürchtungen erhoffe er mehr Bürgerfreundlichkeit. Obwohl seine Partei die Bildung großer Regionalkreise bevorzugt hätte, sagte auch Robert Hahn für die SPD zu, konstruktiv an der Reform mitarbeiten zu wollen.

Breite Übereinstimmung herrschte darüber, dass die Kommunen die Behindertenbetreuung künftig nicht allein finanzieren könnten. Die Verwaltungsreform werde nichts daran ändern, dass sich die Kosten in den nächsten Jahren verdoppeln, stellte der Landrat klar: "Da darf uns der Bund nicht allein lassen."