Mittwoch, 17. März 2004
Presse: "Baurecht lässt keinen Spielraum"
Schwäbisches Tagblatt, Di 17.03.2004

Planungsausschuss gab sein Plazet zum Abriss des "Löwen" in Derendingen

TÜBINGEN (sep). Die Tage des traditionsreichen Gasthauses "Löwen" in Derendingen sind gezählt: Am Montag erklärte sich der Planungsausschuss des Tübinger Rats damit einverstanden, dass der Altbau abgerissen und durch zwei Mehrfamilienhäuser mit 15 Wohnungen ersetzt wird.

Als vor anderthalb Jahren bekannt wurde, dass eines der ältesten Wirtshäuser von Derendingen der Spitzhacke zum Opfer fallen soll, sorgte diese Nachricht nicht nur bei den Stammkunden und Anwohnern für Ärger: Im ganzen Ort regte sich - organisiert vom Bürgerverein - Widerstand, der sich in zahlreichen Leserbriefen ans TAGBLATT und schließlich in tausend Protestunterschriften niederschlug. Um den drohenden Abriss zu verhindern, erbot sich sogar die Besitzerfamilie der benachbarten Flaschnerei Friesch, die geschichtsträchtige Wirtschaft samt Kegelbahn und überdachter Laube zu kaufen.

Doch daran hatte die Tübinger Dr. Zeidler GmbH, die das Eckgrundstück zwischen Löwen- und Jurastraße erworben hatte, kein Interesse. Die Bauträger-Gesellschaft plante dort zunächst einen kompakten Neubau mit drei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss. Weil sie mit dieser Maximalvariante im Technischen Rathaus nicht durchkam, legte sie nun eine deutlich reduzierte Planung vor.

Danach sollen jetzt zwei von einander abgesetzte Mehrfamilienhäuser, eines an der Löwenstraße, eines an der Jurastraße, mit jeweils zwei Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss errichtet werden. In beiden Gebäuden (mit gemeinsamer Tiefgarage) ist für insgesamt 15 Eigentumswohnungen Platz - sechs Einzimmerwohnungen und jeweils drei Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen.
Auch diese Version stieß am Montag im Planungsausschuss, wo der alten Wirtschaft wieder manche Träne nachgeweint wurde, auf Vorbehalte - vor allem auf diesen: Wenn man in der unmittelbaren Nachbarschaft mehrerer Betriebe zwei Wohnhäuser ansiedle, so sorgten sich etliche Stadträte, programmiere man damit massive Konflikte wegen der wohl unvermeidlichen Lärmbelästigung für die künftigen Bewohner der neuen Häuser.

Doch diesen Einwand ließ Werner Hermann, der Leiter des Baurechtsamtes, nicht gelten: "Das Gewerbe muss sich an die für ein Mischgebiet geltenden Lärmgrenzen halten." Auch den Appell von TÜL/PDS-Rat Gerhard Bialas, sich den "Sachzwängen" des Investors nicht zu beugen und den Abriss des "Löwen" mit einem Veto zu blockieren, wies Hermann entschieden zurück: "Der Bauträger hat einen Anspruch auf die Genehmigung seines Vorhabens, das Baurecht lässt uns da keinen Entscheidungsspielraum."

So sahen es am Ende fast alle Stadträte in der Runde: Gegen die Stimmen von Gerhard Bialas und Ulrike Gottschalk (FL) erklärte sich der Ausschuss mit großer Mehrheit mit dem Bau der beiden Wohnhäuser einverstanden. Die Zeidler GmbH will nun den "Löwen" spätestens im Sommer abreißen.