Samstag, 27. März 2004
Presse: Rund ums Tübinger Schimpfeck
tuel-pds, 17:42h
aus dem Tübinger Wochenblatt, Do 25. März 2004
Es gibt eine geniale Karrikatur von Sepp Buchegger, die ungefähr so in Erinnerung geblieben ist: Da sitzt eine Reihe von lauter kleinen Brigitte Russ-Scherers brav auf dem Bänkchen und wartet auf Anweisungen. Und die große BRS sagt freundlich-bestimmt etwa: "Na, Mädels, was steht an?"
Es gibt einen von rund 200 Menschen aus der Kulturszene unterschriebenen offenen Brief, den das "Tagblatt" in minimal-möglicher Chronistenpflicht kommentarlos abgedruckt hat. Kein beißendes Pamphlet, kein flammender Appell keine ätzende General-Abrechnung. In freundlichen, fast schon milden Worten kritisieren die Autoren und Unterzeichner einen Richtungswechsel: Die OB bevorzuge einseitig eine Event-Kultur "zu Ungunsten des gewachsenen Kulturlebens dieser Stadt". Beinahe schon versteckt fallen stärkere Vokabeln wie "verachten, beschädigen, ausbluten lassen" für das Hausgemachte. Der zweite Kern des Protests ist eine Solidaritätsadresse für den Kulturamtsleiter und den Fortbestand seiner kleinen Behörde. Wilfried Setzler ist viel zu nobel, korrekt,und bescheiden (aber bestimmt auch seiner Sache, seiner Kompetenz und seiner Verdienste sicher genug), um auf solche Worte gewartet zu haben: Er werde "demontiert", heißt es da, und: "Die Missachtung, die ihm und seinem Lebenswerk widerfährt, ist ein Unrecht..."Wer? Was? Wen? Es steht nur zwischen den Zeilen.
Es gibt eine Zimmertheater-Intendantin, die ihr Amt sehr direkt - am vormaligen Königsmacher (dem tübingen-müden "Tagblatt"-Chef) vorbei - der tatendurstigen Oberbürgermeisterin verdankt. Vera Sturm dürfte ihre Gönnerin eigentlich kaum gemeint haben. Aber sie hat trotzdem öffentlich gesagt: Das Klima in der Stadt sei "verbittert und voll Gift und Galle". Wer? Wie? Was?
Es gibt in Tübingen einen fast schon gespenstischen Kommunalwahlkampf, dem es eigentlich nicht an Themen mangeln müsste, der aber bislang nur eines hat: die Oberbürgermeisterin.
Die Stadt wird scheinbar erfolgreich und effizient regiert, von einer kompetenten, machtbewussten und taktisch geschickten Frau, deren Ruf vielleicht schon bis zur Waterkant gedrungen ist. Keines der vielen Tübinger Probleme erhitzt und spaltet die Bürgerschaft (oh, selige Mühlstraßen-Zeiten!), niemand bläst zum entschlossenen Kampf gegen Entscheidungen, gar schlimme Fehler der Rathausspitze oder des Gemeinderats.
Wo ist das Problem? Ja, wo? Wir sind unversehens und zur Unzeit mitten in einen jahrelangen OB-Wahlkampf geraten. Bisher hat die fähige, erfolgreiche und durchsetzungsstarke Brigitte Russ-Scherer nur eine Gegnerin, die Misstimmung macht und ein verbittertes Klima "voll Gift und Galle" schafft. Dieses Gespenst geht um in Tübingen...