Donnerstag, 8. April 2004
Presse: Übrigens ... Vor und nach der Sitzung
tuel-pds, 03:16h
Schwäbisches Tagblatt, Do 1.4.2004
Die Fragestunde ist im Tübinger Gemeinderat seit jeher ein Instrument der kleinen und weniger mächtigen Gruppen, jener Fraktionen, die sich in Opposition zur Ratsmehrheit oder zur Stadtverwaltung sehen. Wenn jemand über die Jahre Buch geführt hätte, wäre nachzulesen, dass Vertreter von FL, TÜL/PDS (früher DKP) oder AL häufiger Fragen stellten als ihre Kollegen von UFW, SPD oder CDU.
Ihre Sternstunden hatte die Fragerunde in den frühen 80er-Jahren, als alternative und kommunistische Stadträte den Alleinvertretungsanspruch der Rats-Honoratioren in Frage stellten. Auch die Stadtverwaltung trug mit eigenwilliger Auslegung der Geschäftsordnung dazu bei, dass den respektlosen Polit-Anfängern anfangs nur jene Rechte gewährt wurden, die ihnen nicht vorzuenthalten waren.
Die Neulinge tricksten: Sie wahrten die obligatorische Frageform und nutzten die Bühne, um Neuigkeiten publik zu machen ("Trifft es zu, dass ...?"), oder zu Themen Stellung zu nehmen ("Teilen Sie meine Meinung, dass ...?"), die nicht offiziell zur Debatte standen.
Zwanzig Jahre, nachdem der Streit um Geschäftsordnung, Minderheitenrechte und Öffentlichkeit - jedenfalls in Tübingen - ein akzeptables Ende fand, stellte TÜL/PDS-Stadtrat Anton Brenner mit elf umfangreichen Fragen einen Allzeit-Rekord auf. Er fragte zum x-ten Mal nach externer Beratung, Technologiepark, Großsporthalle und Südstadt-Parkhäusern, nach Depot, Leitbildprozess, Wirtschaftsförderung, Wissenschaftsstadt und anderem mehr.
Wenn er denn will, kann Brenner die Antworten im Haushaltsplan nachlesen. Aber es geht ihm um Wahlkampf-Munition. Er will die Oberbürgermeisterin und den Rat öffentlich vorführen. Brenners Aktion folgt diesem Muster: Man packe mehrere missliebige Themen in einen Sack und frage nach den Kosten. Je höher die Summe, desto triumphierender der Auftritt: So viel Geld gebt ihr für diesen Mist aus!
Brenner müsste seinen verbissenen Kleinkrieg gegen Rat und Verwaltung nicht in der Fragestunde austragen, denn anders als vor einem Vierteljahrhundert stehen die kontroversen Themen heute ständig auf der Tagesordnung und werden dort lang und breit erörtert.
Die Stimme von Brigitte Russ-Scherer wurde heiser, als am Montag ihre Geduld wieder einmal auf die Probe gestellt wurde. In solchen Situationen wünscht man sich, die OB würde die Zahlen ohne rechtfertigende Umschweife und ganz gelassen einfach nur nennen. Das TAGBLATT kommt auch damit zurecht, dass es präventiv beschimpft wird. Er gehe davon aus, dass die Presse über seine Anfragen nicht berichte, donnerte Brenner schon drei Tage vor der Sitzung (siehe Leserbriefe), "der Nachrichtenboykott ist fast perfekt". Eckhard Ströbel
Die Fragestunde ist im Tübinger Gemeinderat seit jeher ein Instrument der kleinen und weniger mächtigen Gruppen, jener Fraktionen, die sich in Opposition zur Ratsmehrheit oder zur Stadtverwaltung sehen. Wenn jemand über die Jahre Buch geführt hätte, wäre nachzulesen, dass Vertreter von FL, TÜL/PDS (früher DKP) oder AL häufiger Fragen stellten als ihre Kollegen von UFW, SPD oder CDU.
Ihre Sternstunden hatte die Fragerunde in den frühen 80er-Jahren, als alternative und kommunistische Stadträte den Alleinvertretungsanspruch der Rats-Honoratioren in Frage stellten. Auch die Stadtverwaltung trug mit eigenwilliger Auslegung der Geschäftsordnung dazu bei, dass den respektlosen Polit-Anfängern anfangs nur jene Rechte gewährt wurden, die ihnen nicht vorzuenthalten waren.
Die Neulinge tricksten: Sie wahrten die obligatorische Frageform und nutzten die Bühne, um Neuigkeiten publik zu machen ("Trifft es zu, dass ...?"), oder zu Themen Stellung zu nehmen ("Teilen Sie meine Meinung, dass ...?"), die nicht offiziell zur Debatte standen.
Zwanzig Jahre, nachdem der Streit um Geschäftsordnung, Minderheitenrechte und Öffentlichkeit - jedenfalls in Tübingen - ein akzeptables Ende fand, stellte TÜL/PDS-Stadtrat Anton Brenner mit elf umfangreichen Fragen einen Allzeit-Rekord auf. Er fragte zum x-ten Mal nach externer Beratung, Technologiepark, Großsporthalle und Südstadt-Parkhäusern, nach Depot, Leitbildprozess, Wirtschaftsförderung, Wissenschaftsstadt und anderem mehr.
Wenn er denn will, kann Brenner die Antworten im Haushaltsplan nachlesen. Aber es geht ihm um Wahlkampf-Munition. Er will die Oberbürgermeisterin und den Rat öffentlich vorführen. Brenners Aktion folgt diesem Muster: Man packe mehrere missliebige Themen in einen Sack und frage nach den Kosten. Je höher die Summe, desto triumphierender der Auftritt: So viel Geld gebt ihr für diesen Mist aus!
Brenner müsste seinen verbissenen Kleinkrieg gegen Rat und Verwaltung nicht in der Fragestunde austragen, denn anders als vor einem Vierteljahrhundert stehen die kontroversen Themen heute ständig auf der Tagesordnung und werden dort lang und breit erörtert.
Die Stimme von Brigitte Russ-Scherer wurde heiser, als am Montag ihre Geduld wieder einmal auf die Probe gestellt wurde. In solchen Situationen wünscht man sich, die OB würde die Zahlen ohne rechtfertigende Umschweife und ganz gelassen einfach nur nennen. Das TAGBLATT kommt auch damit zurecht, dass es präventiv beschimpft wird. Er gehe davon aus, dass die Presse über seine Anfragen nicht berichte, donnerte Brenner schon drei Tage vor der Sitzung (siehe Leserbriefe), "der Nachrichtenboykott ist fast perfekt". Eckhard Ströbel