Montag, 15. Dezember 2003
Leserbrief: Weltethos in den Gemeinderat!
So, 14.12.2003

Antwort zu den Leserbriefen von Herrn Rosemann und Herrn te Wildt vom 13.12.

Weltethos in den Gemeinderat!

"Werte haben einen praktischen Zweck", sagte Kofi Annan. Der Besuch des UN-Generalsekretärs könnte Anlass sein, sich in Tübingen den neuen UNESCO-Bericht zu Bildung anzuschauen. Dort werden miserable Vorschulbildung und fehlende Ganztagesschulen hierzulande kritisiert.
Im den zuständigen Ratsausschüssen ist vom Weltethos nichts zu spüren. Dort müssen sich die Gemeinderäte von Fachleuten vorhalten lassen, Tübingen krieche im Land am unteren Rand der Stellenausstattung in Kindergärten. Die SPD-Riege in der Verwaltung hört weg und kürzt weiter. Ihre Sparwut macht sie unfähig, mögliche Landes- und Bundeszuschüsse für Kleinkindergruppen oder die Schulküche auf WHO abzurufen. Wer Nachmittagsgruppen in Kindergärten streicht; wer Eltern nötigt und Schulleiter erpresst; wer selbst das zarte Pflänzchen "verlässliche Grundschule" kaputtsparen will, braucht sich über schlechten Ruf nicht beklagen. Herr Rosemann täuscht vor, das Geld aus der geplanten Grundsteuererhöhung wäre für Kinderbetreuung. Schön wärs! Kein Cent ist zweckgebunden für Soziales. Aber - da hat Herr Kost nun mal recht - eine Erhöhung der Grundsteuer schlägt voll durch auf die Mieten. Das Land als großer Grundbesitzer zahlt übrigens keine. Besonders belastet sind kleine Gewerbetreibende und kinderreiche Familien. Was kümmert das die SPD? Geld ist da, wenn es um Protzprojekte geht. 34 Millionen Euro boxte die Oberbürgermeisterin im Kreisrat für das neue Landratsamt durch. Ihre Partei darf jetzt scheinheilig über die hohe Kreisumlage jammern. Dafür wurde die Schulsozialarbeit an die Wand gefahren. Auf der Viehweide wird weiter Geld verschwendet. Die Bio-Tech-Blase ist lange geplatzt und Kollege te Wildt spricht noch immer von "Zukunftsinvestition". Am liebsten würde er über unsere kritischen Fragen eine Nachrichtensperre verhängen. Nicht wir sind verantwortungslos in punkto Finanzen sondern die, die weiter aus dem städtischen Haushalt in leerstehende Betonklötze subventionieren.

Gerlinde Strasdeit
Stadträtin der Tübinger Linken/PDS

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Leserbrief zur Debatte über Walter Jens
Schwäbisches Tagblatt, Sa 13.12.2003

Man kann die Lebensleistung von Walter Jens achten und dennoch (oder gerade deshalb) gleiche Maßstäbe anlegen wie an andere Zeitgenossen auch.

Mein Fraktionskollege Anton Brenner beantragte nicht die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft sondern eine Reflexion im Gemeinderat. Wer 500 Jahre Tübinger Universitätsgeschichte recherchiert hat, sollte bei der eigenen NSDAP-Mitgliedschaft nicht schnoddrig reagieren.

Anton Brenners Anfrage lautete wie folgt:

"Als es um die Ehrenbürgerschaft des über 90-jährigen Herbergsvaters der Obdachlosen, Herrn Beyer, ging, regte Stadtrat Riethmüller an, eventuelle Nazi-verstrickungen zu überprüfen. Dies wurde ihm zugesagt. Und es wurde darüber berichtet, dass nichts über eine Nazi-Vergangenheit vorliege.

Wenn eine Erkenntnis wie eine NSDAP-Mitgliedschaft aufgetaucht wäre, hätte dies für Herrn Beyer ernste Konsequenzen gehabt. Einen Ehrenbürger Beyer hätte es dann nicht gegeben.

Hat die Stadt Tübingen eine ähnliche Überprüfung im Fall Walter Jens veranlasst? Wenn nicht: Weshalb kam es zu dieser Ungleichbehandlung von Walter Jens. Wird es eine Aussprache im Ältestenrat über den Fall des Ehrenbürgers Walter Jens und der Verhehlung seiner NSDAP-Mitgliedschaft geben?"

Und die Oberbürgermeisterin sagte zu, die Angelegenheit zu besprechen. Es war Kollege Riethmüller, der die Latte einst so hochlegte. Nun sollte zumindest geklärt werden, ob die Verleihung von Ehrenbürgerschaften - wie bei Walter Jens geschehen - ohne Beratung und in geheimer Abstimmung erfolgen müssen.

Vielleicht kann man zukünftig ganz auf solch riskante Art Stadtmarketing verzichten. Oder man schränkt das auf solche Personen ein, die sich speziell um Tübingen verdient gemacht haben. Unsere Fraktion hatte da mal gute Namen ins Gespräch gebracht.

Gerlinde Strasdeit
Stadträtin der Tübinger Linken/PDS

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Leserbrief zur Debatte über Walter Jens
Schwäbisches Tagblatt, Sa 13.12.2003

Man kann die Lebensleistung von Walter Jens achten und dennoch (oder gerade deshalb) gleiche Maßstäbe anlegen wie an andere Zeitgenossen auch.

Mein Fraktionskollege Anton Brenner beantragte nicht die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft sondern eine Reflexion im Gemeinderat. Wer 500 Jahre Tübinger Universitätsgeschichte recherchiert hat, sollte bei der eigenen NSDAP-Mitgliedschaft nicht schnoddrig reagieren.

Anton Brenners Anfrage lautete wie folgt:

"Als es um die Ehrenbürgerschaft des über 90-jährigen Herbergsvaters der Obdachlosen, Herrn Beyer, ging, regte Stadtrat Riethmüller an, eventuelle Nazi-verstrickungen zu überprüfen. Dies wurde ihm zugesagt. Und es wurde darüber berichtet, dass nichts über eine Nazi-Vergangenheit vorliege.

Wenn eine Erkenntnis wie eine NSDAP-Mitgliedschaft aufgetaucht wäre, hätte dies für Herrn Beyer ernste Konsequenzen gehabt. Einen Ehrenbürger Beyer hätte es dann nicht gegeben.

Hat die Stadt Tübingen eine ähnliche Überprüfung im Fall Walter Jens veranlasst? Wenn nicht: Weshalb kam es zu dieser Ungleichbehandlung von Walter Jens. Wird es eine Aussprache im Ältestenrat über den Fall des Ehrenbürgers Walter Jens und der Verhehlung seiner NSDAP-Mitgliedschaft geben?"

Und die Oberbürgermeisterin sagte zu, die Angelegenheit zu besprechen. Es war Kollege Riethmüller, der die Latte einst so hochlegte. Nun sollte zumindest geklärt werden, ob die Verleihung von Ehrenbürgerschaften - wie bei Walter Jens geschehen - ohne Beratung und in geheimer Abstimmung erfolgen müssen.

Vielleicht kann man zukünftig ganz auf solch riskante Art Stadtmarketing verzichten. Oder man schränkt das auf solche Personen ein, die sich speziell um Tübingen verdient gemacht haben. Unsere Fraktion hatte da mal gute Namen ins Gespräch gebracht.

Gerlinde Strasdeit
Stadträtin der Tübinger Linken/PDS

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