Mittwoch, 14. Januar 2004
Attacke gegen OB
Schwäbisches Tagblatt, Di 13. Januar 2004

TÜL/PDS fordert Untersuchungsausschuss

TÜBINGEN (sep). In einem offenen Brief an alle Rathaus-Fraktionen forderte die TÜL/PDS gestern einen "Untersuchungsausschuss über den in der Ära Russ-Scherer bisher entstandenen finanziellen Schaden für die Stadt" und rief damit prompt die Oberbürgermeisterin mit einer eigenen Erklärung auf den Plan.

"Angesichts der dramatischen Entwicklung der finanziellen Folgen einiger Fehlentscheidungen", so schrieb Anton Brenner (TÜL/PDS) an seine Ratskollegen, möge jede Fraktion einen Vertreter für den Untersuchungsausschuss benennen. Sollten nicht alle mitmachen, "könnten auch die Fraktionen, denen das Ausmaß der finanziellen Schäden jetzt zu weit geht, mit der Arbeit beginnen".

Insbesondere will Brenner von dem Ausschuss die Finanzierung des Technologieparks, der Großsporthalle, der Südstadt-Parkhäuser, der Verwaltungsreform und des Leitbild-Prozesses überprüfen lassen. Allein bei diesen fünf Projekten, so behauptet er, sei der Unistadt ein "finanzieller Schaden" von mehr als 25 Millionen Euro entstanden. Dies müsse schnell untersucht werden, ehe von der Oberbürgermeisterin noch mehr Geld "vergeudet" werden könne.

Die Anwürfe der TÜL/PDS sind nicht neu - neu ist allerdings, dass die Rathaus-Chefin gestern spontan mit einer schriftlichen Erklärung auf Brenners offenen Brief reagiert hat. Darin legt Brigitte Russ-Scherer zunächst einmal Wert auf die Feststellung, dass die "dramatische Entwicklung" der Tübinger Finanzen nicht etwa auf Fehler der Kommunalpolitik, sondern vor allem auf das "massive Wegbrechen der Einnahmen" zurückzuführen sei.

Im Übrigen verweist die Oberbürgermeisterin in ihrer Erwiderung auf die einzelnen Vorwürfe mehrfach darauf, dass die genannten Projekte vom Gemeinderat beschlossen und von der Stadtverwaltung korrekt umgesetzt worden seien. Dass die "globale konjunkturelle Lage" für die Biotechnologie "derzeit schwierig" ist, räumt sie durchaus ein, trotzdem sieht sie im Technologie-Park nach wie vor ein "geeignetes Instrument" zur Förderung von Arbeitsplätzen und zur längerfristigen Konsolidierung der städtischen Finanzen.

So "bedauerlich" die Probleme mit den Parkhäusern in der Südstadt für Russ-Scherer auch sind, sie ist zuversichtlich, dass die Stadtwerke mit den "Anlaufschwierigkeiten" fertig werden. Für "entstandene Schäden" müssten "selbstverständlich die am Bau beteiligten Firmen haften". Die verschiedenen Schritte zur Verwaltungsreform verteidigt die Oberbürgermeisterin als "weiteren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung". Und Brenners Kritik am Leitbild-Prozess ("heilloses Chaos") ist für sie nichts anderes als eine Missachtung des "großartigen Engagements" vieler Bürger.

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Montag, 12. Januar 2004
Anregung eines Untersuchnungsausschusses
Anton Brenner
Stadtrat der Tübinger Linken / PDS
Im Buckenloh 11
72070 Tübingen

Tel. 07071 40450
Fax 07071 49992
Brenner-Tuebingen@t-online.de
www.tuel-pds.de


An die Mitglieder des
Tübinger Gemeinderats
Rathaus
72070 Tübingen


Tübingen, den 12. Januar 2004

Einrichtung eines Untersuchungsausschusses über den in der Ära Russ-Scherer bisher entstandenen finanziellen Schaden für die Stadt Tübingen


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

angesichts der dramatischen Entwicklung der finanziellen Folgen einiger Fehlentscheidungen (Obere Viehweide, Automatische Parkhäuser) möchte ich namens der Fraktion der Tübinger Linken einen Untersuchungsausschuss anregen. Jede Fraktion möge bitte eine Vertreterin oder einen Vertreter benennen. Falls es zu keiner Übereinstimmung kommt, könnten auch die Fraktionen, denen das Ausmaß der finanziellen Schäden jetzt zu weit geht, mit der Arbeit beginnen. Dies entspräche auch der von der Oberbürgermeisterin eingeführten Tradition von informellen Beratungen: Schon zwei Mal hat die Oberbürgermeisterin Beratungen unter Ausschluss einer Fraktion angesetzt.

Zu klären sind folgende Punkte:

1.) Die Planung des Technologieparks Obere Viehweide ging von einer Summe von 1,6 Millionen Euro aus, die maximal auf die Stadt zukommen werde. Diese Summe wurde um ein Mehrfaches überschritten. Es geht um die Klärung der Summe, die bislang ausgegeben wurde und noch ausgegeben werden soll. Zudem müssen die Verantwortlichkeiten für die Kostenüberschreitung und die ins Bodenlose treibenden Folgekosten untersucht werden.

2.) Die Planung der TüArena ging von einem Betrag von 6 Millionen Euro brutto aus, wobei ein Drittel der Kosten von Sponsoren kommen sollte. Jetzt müssen wir uns mit einer Verdoppelung der Summe anfreunden, die Drittelfinanzierung durch Sponsoren stellt sich möglicherweise als Luftbuchung heraus. Völlig unklar sind die Folgekosten und die Belegung durch die Schulen, nachdem keinerlei Mittel für einen Buszubringer eingesetzt werden können. Auch dies muss im Detail dargestellt werden.

3.) Die Stadtverwaltung bedrängte die Stadtwerke, den Bau der automatischen Parkhäuser in Loretto und im Französischen Viertel zu übernehmen. Es zeichnet sich jetzt ein Schaden ab, der weit über die Baukosten von 12 Millionen Euro hinausgehen könnte. Allein eine Million Euro mussten die Stadtwerke im letzten Jahr nachfinanzieren. Am 12. Mai 2001 hatte ich gefragt, ob eine Parkhauskonversion in ein konventionelles Parkhaus möglich wäre. Dies wurde verneint, bei Nichtfunktionieren müsse es abgerissen werden. Obwohl das Südstadtkonzept davon ausging, die Bewohner bei allen Prozessen zu beteiligen, wurde eine Bürgerbefragung, ob konventionell oder automatisch, abgelehnt. Auch hier sind die Verantwortlichkeiten und finanziellen Folgen zu ermitteln.

4.) Es sind ferner die Gesamtkosten der sogenannten Verwaltungsreform und des Leitbildprozesses darzustellen. Schon jetzt will niemand mehr an auch nur eines der Leitbilder erinnert werden. Die Arbeit der externen Berater (Arras, Arthur-Andersen) hat große Summen verschlungen und ein heilloses Chaos angerichtet.

5.) Die Oberbürgermeisterin verzichtete im Alleingang auf den Rückkauf der gestohlenen Grafiken aus den städtischen Sammlungen und nahm dafür 47 000 Euro. Die Grafiken haben jetzt auf Versteigerungen eine wesentlich größere Summe erbracht. Man kann fast sagen, dass die Oberbürgermeisterin einen größeren Vermögensschaden angerichtet hat als der Dieb. Außerdem ist für die Stadt ein bleibender Schaden entstanden, da kaum noch jemand einer Stadt Sammlungen und Kunstgegenstände schenken wird, wenn so damit umgegangen wird. Auch hier müsste der Flurschaden ermittelt werden.

Da wir davon ausgehen, dass allein der finanzielle Schaden im Zusammenhang der oben genannten fünf Punkte die Gesamtsumme von 25 Millionen Euro übersteigt, halten wir diesen Untersuchungsausschuss für besonders dringlich. Eine Gesamtsschadensermittlung muss einer verantwortlichen Beratung des Haushalts vorausgehen. Es besteht der begründete Verdacht, dass jeder weitere durch Gebührenerhöhung, Steuererhöhung und Leistungsabbau der Oberbürgermeisterin zur Verfügung stehende Euro vergeudet werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Anton Brenner

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Freitag, 9. Januar 2004
Leserbrief: "Mal horchen"
Schwäbisches Tagblatt, Mo 5. Januar 2004

Stadt- und kreisrätliche Gedanken in Prosa und Lyrik.

"Mal horchen"

Im politischen Bereich hatten wir ja die Weihnachtsbescherung des geplatzten städtischen Haushalts. Nix wars da mit "fröhliche Weihnachten" für einige Haushaltsoberstrateginnen und -strategen, die sich einbildeten mit dem Zahlenschrott noch eine Karre flott zu machen. Nun ist dieses elende Vehikel als Missgeburt einiger Haushaltsklausuren in Bergen von Makulatur stecken geblieben. Dabei haben doch alle Fraktionen auf Geheiß der OB und ihres Generalstabs viele Stunden und Tage lang auf unbefruchteten Eiern gebrütet, die nun aus dem Rathaus stinken. Nur wir als TÜL/PDS-Fraktion brüteten da nicht mit, forderten dafür eine Bürgerversammlung noch vor den Sommerferien und öffentliche Diskussionen zum Haushalt statt Geheimverhandlungen.

Die Entwicklung hat uns recht gegeben. Denn was da als Haushalt dabei rauskam, war alles andere als zustimmungsfähig. Da die Weihnachtszeit auch für Besinnliches gut sein soll, bleibt ja die Hoffnung, dass zur nächsten Haushaltsrunde ein Zahlenpaket für 2004 aufgeschnürt wird, in dem sich die Bürgerschaft mit ihren Sorgen und Hoffnungen wieder findet. Wir als TÜL/PDS bleiben dabei: Ein Haushalt darf nicht danach aufgestellt werden, dass er auch ja genehmigungsfähig ist. Er muss das beinhalten, was nach sozialen und kulturellen Gesichtspunkten für unser Gemeinwesen erforderlich ist. Mal horchen, was die OB beim Neujahrsempfang am 23. Januar dazu spannendes zu erzählen hat.

Ihr lieben Leute denkt daran,
dass Politik uns schlauchen kann,
wenn wir es uns gefallen lassen,
wie andre unser Geld verprassen,
Prestigeprojekte feste bauen,
uns dafür auch noch Rente klauen,
für Kinder vieles teurer machen,
das uns vergeht dabei das Lachen.
Für's Neue Jahr wünsche ich allen,
zu gebrauchen fest die Krallen,
zu kämpfen für des Lebens Wert,
uns dafür sei viel Kraft beschert!

Gerhard Bialas, Tübingen,
Weißdornweg 11

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