Dienstag, 2. März 2004
Mehrheit für Grafik-Rückkauf
Schwäbisches Tagblatt, Di 2.3.2004

Interfraktioneller Antrag im Gemeinderat / Beckmann-Blatt als Unterpfand

TÜBINGEN (upf). Die Tübinger Stadtverwaltung soll alles tun, um wenigstens drei der gestohlenen Grafiken aus der städtischen Sammlung zurückzuerwerben, auf deren Rückgabe sie gegen Geld verzichtet hatte. Eine Mehrheit des Gemeinderats (mit CDU, FL, FDP, TÜL/PDS) hat die Tübinger AL-Fraktion hinter diesem Antrag versammelt.

Mit einer Stellwand, welche die durch Diebstahl und städtischen Rückkauf-Verzicht verloren gegangenen Werke aus der städtischen Grafik-Sammlung dokumentiert, warb AL-Stadtrat Christoph Hölscher gestern kurz vor der Gemeinderatssitzung vor dem Kornhaus noch einmal für den interfraktionellen Antrag: Danach sei der von der Stadtverwaltung erklärte Verzicht auf Rückgabe einzelner Grafiken zu missbilligen, und die Verwaltung solle "alles in ihrer Macht stehende" tun, um wenigstens drei Blätter (ein Nolde, ein Kirchner, ein Otto Müller) wieder zu erwerben. Zwei der Grafiken befinden sich noch im Besitz der auf die Kunst des Expressionismus spezialisierten Galerie Maaß in Berlin; der Besitzer der dritten, ein Privatmann, wurde in Belgien ausfindig gemacht.

Der Antrag, dem sich die Fraktionen von SPD, WUT und UFW nicht anschlossen, wurde gestern eingebracht, jedoch noch nicht behandelt. Er kommt zunächst im Kulturausschuss auf die Tagesordnung.

In einem Anmerkungstext zu dem Antrag plädiert Hölscher einmal mehr dafür, die in der Nachkriegszeit von dem seinerzeitigen Kulturamtsleiter Rudolf Huber in kunstpädagogischer Absicht zusammengetragene Sammlung soweit möglich zu erhalten. Als Dokument des kulturellen Bewusstseins habe die Sammlung einen ideellen Wert, der mit den heutigen Marktpreisen für einzelne Blätter nicht zu messen sei.

Ein viertes verlorenes Blatt befindet sich inzwischen wieder in Tübingen, allerdings in Privatbesitz: Hölscher selbst hat den exzellenten Vordruck der Radierung "Abendgesellschaft" von Max Beckmann bei Maaß erworben - für 4000 Euro; die Stadt hatte den Verlust mit nur 1500 Euro veranschlagt. Allerdings wäre Hölscher nur bedingt bereit, die Grafik wieder der Stadt zu überlassen: Solange man damit rechnen müsse, dass die Stadtverwaltung Kunstobjekte aus ihren Beständen losschlage, um die Stadtkasse aufzubessern, sagte der AL-Stadtrat, könne man ihr auch keine Kunstwerke anvertrauen geschweige denn vermachen. Lediglich leihweise würde er deshalb vorerst die Grafik zur Verfügung stellen, etwa für die im kommenden Oktober geplante Ausstellung der dezimierten Sammlung.

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Montag, 1. März 2004
Klagt Russ-Scherer gegen Anton Brenner? Lachnummer für die Fastenzeit?
Aus dem Tübinger Wochenblatt, 26.2.2004:

"Der harmlos gallige Jux passte zur Fasnet: Der linke Provokateur und Zuspitzer des Gemeinderats Anton Brenner hatte ein paar Erzeugnisse seines Weinbergs mit den Konterfeis der vier Bürgermeister etikettiert. 'Tübinger Rathausspitze -- wie eine Flasche leer (Trappatoni) stand darunter. ... Nach einem schmallippigen Lächeln in Schriftform wollte die Spitze (ja, wer von der nun?) solches Mini-Marketing (für was?) dann aber doch nicht mit ihren Portraits unterstützen. Gut, ihr gutes Recht, sagt sich der böse Bube, und setzte noch eins drauf: Er verzerrte die Gesichter zur Karikatur und nahm die 'Freiheit der Kunst' dafür in Anspruch, frei nach dem Tucholsky-Motto 'Satire darf alles'.
Schon sollen Rechtsanwälte anrollen --- nun macht aber mal Halblang! Über Geschmack lässt sich nicht nur beim Wein streiten. Wenn die solcherart Geschähten jetzt erst recht Ernst machen, nun erst recht keinen Spaß mehr verstehen, bekommen wir, das erfreute Publikum, eine Lachnummer für die Fastenzeit. Aber im Ernst: Der Humor-Standort Deutschland ist eh brutal im Kommen, da kann Tübingen schlecht hintan stehen. Das Ganze ist ein gelungener gemeinsamer Gag, um die emotional etwas sugespitzte Situation ein wenig zu entspannen, eine konzertierte Aktion von Brenner, Bürgermeistern und dem Tagblatt-ec. Bestimmt. Ganz sicher. Wär's doch echt gelacht..."

Anton Brenner
Stadtrat Anton Brenner


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Leserbrief: "Die Kacke am Dampfen"
Schwäbisches Tagblatt, Sa 28. Februar 2004

Ein alter Mitstreiter der Zanker-Initiative sorgt sich um die Zukunft der Walter AG in Derendingen.

Die Beschäftigten der Montanwerke Walter-AG wehren sich dagegen, dass mit dem beabsichtigten Verkauf des Maschinenbaus 150 von 900 Arbeitsplätzen direkt betroffen würden. Das muss uns alle in der "Wissens-Stadt" Tübingen aufwühlen, wenn man bedenkt, das bisher nur verschwindend wenige Arbeitsplätze in den Labors auf der Viehweide - für wahnwitzig hohe Summen Euro - verlagert wurden. Da wäre es auch für die Oberbürgermeisterin und den neuen Landrat vonnöten, sich darüber aktuell sachkundig zu machen, wie einst Arbeitsplätze im gewerblichen und industriellen produzierenden Bereich aufgeblüht sind und plattgemacht wurden.

Da lohnt es sich schon, alte Zeitungen und Unterlagen von 1982 bis 1993 herauszukramen, um besonders am Beispiel der einst stolzen Firma Zanker mit über 1000 Beschäftigten nochmal nachzuvollziehen, was für den Niedergang der heimischen Industrie von Zanker bis Pausa in den letzten 30 bis 20 Jahren geschehen ist. Auch wenn einem dabei nochmal die Tränen kommen können, wenn man die Abschiedsrede des damaligen Betriebsratsvorsitzenden Dieter Schmidt liest, die er für seine Zanker-Kolleg(inn)en beim Abschiedsfest im traurigen "Festzelt" am 25. Juni 1993 gehalten hat. Daran nahmen in großer Solidarität Beschäftigte auch anderer Betriebe und die BI "Zanker soll leben - wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz" teil. Da kamen wir gegen die übermächtigen Konzerne nicht mehr an. Am 4. Juni 1992 sagte Dieter Schmidt im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT: "Seit der Hochzeit von Elektrolux mit AEG sind wir als Standort in Deutschland nicht mehr wichtig."

Am 5. Juni 1982 schrieb Christoph Müller ÜBRIGENS "Pleite-Geier": "Von den vier Tübinger Firmen mit den meisten Beschäftigten gilt zur Zeit nur noch eine als kerngesund: die Montanwerke Walter." Und jetzt? Müssen wir befürchten, dass mit den Montanwerken in der Derendinger Straße nach einem ähnlichen Strickmuster verfahren wird, wie einst bei Zanker in Tübingens Weststadt? Seit dem Verkauf der Walter-AG 2001 rumort bei den Beschäftigten die Gallenblase. Dort regiert nicht mehr der "Russenfreund Mambretti", sondern der schwedische Konzern Sandvik. Vor lauter Altstadt-Debatten müssen wir uns davor hüten, dass mit Taubenmist Probleme von Arbeitsplatzverlusten verkleistert werden. Denn da ist die Kacke am Dampfen, Frau OB! Damit's nicht heißt: Der Narrenbaum vor dem Rathaus ist weg - die Narretei drinnen ist geblieben.

Gerhard Bialas, Stadt- und Kreisrat der TÜL/PDS, Tübingen, Weißdornweg 11

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Freitag, 27. Februar 2004
Hermann-Arndt Riethmüller (WUT) musste auf Brenner (PDS) anstoßen, Russ-Scherer bringt nur "Verdruss und Scherereien"
Zitate aus dem Schwäbischen Tagblatt vom 27.2.2004:
Verdruss und Scherereien. WUT beging den Aschermittwoch mit Beirers „Tübinger Weltgericht“


TÜBINGEN (kai). Es gibt sotte und sotte Stadträte. WUT-Fraktionsvorsitzender Hermann-Arndt Riethmüller präparierte für den vierten kommunalpolitischen Aschermittwoch in der Tübinger Kelter sieben Typen heraus.
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Folgt man dem WUT-Chef, geht es in Tübingens Rathaus grad so zu wie in der „großen Politik“. Auch im Sitzungssaal am Marktplatz richteten sich die Anstrengungen der meisten Politiker darauf, die von allen begangenen Fehler auf andere abzuwälzen, statt die Probleme anzugehen. Riethmüller streifte in seinem Exkurs zur aktuellen Tagespolitik die Etatberatungen und gab en passant der CDU und der PDS eine mit. Der eigene (umstrittene) Antrag, den Zuschuss fürs Zimmertheater komplett zu streichen, habe „nicht geschadet“. Danach hätten sich Sponsoren fürs aktuelle Programm und Mäzene fürs Sommertheater gefunden.

Einem „schöpferischen Urknall“ schrieb Gottfried Gehr das Sinnbild der Wählerinitiative unabhängiger Tübinger zu: die Wuteln (siehe Bild), die es nur in der Mehrzahl gibt. „Wir sind die einzige Fraktion mit weltweit patentiertem Gebäck“, strahlte der Bäckermeister unterm Zylinder. Die Form des süßen Teils deutet stark verkürzt an, dass die Fraktion jedes Problem bis ins kleinste hin und her wendet, sich wieder zusammen schlingt, um bei der Abstimmung möglicherweise wieder auseinander zu streben, weil Gattin oder Gatte sich zu Hause auch noch in die Meinungsbildung eingemischt hat.

Eine Meinung zu Tübinger Ereignissen und Persönlichkeiten hat auch der Kabarettist Jörg Beirer. Er zog als Richter allerhand (abwesende) Lokalprominenz vor sein „Tübinger“ Weltgericht und urteilte sie ab – vom Ersten Bürgermeister Gerd Weimer („baldige Pension – endlich!“) über Wirtschaftsbürgermeister Eugen Höschele („I du halt nix, i woiß halt nix“) bis zu TAGBLATT-Mitverleger und Chefredakteur Christoph Müller, dem Beirer unter anderem „selbstverliebten Größenwahn“ zuschrieb.

PDS-Stadtrat Anton Brenner („schwer hat es der Gemeinderat, wenn er einen Brenner hat“) kam glimpflicher weg. Der Reimer aus Reusten präsentierte als Beweismittel für Brenners „Wortgewalt“ eine Broschüre über Weinbau und ließ die Gläser mit Mostbowle auf Brenner erheben: „Hoch der Kolben, nei der Zinken, morgen müss’ mer Wasser trinken...“ Strenger ging Beirer mit Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer („die Chefsache bin ich“) um. Sein Urteil: „Nichts als Verdruss und Scherereien.“


Quelle: http://www.tagblatt.de

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