Montag, 15. Dezember 2003
Leserbrief zur Debatte über Walter Jens
felwing, 02:52h
Schwäbisches Tagblatt, Sa 13.12.2003
Man kann die Lebensleistung von Walter Jens achten und dennoch (oder gerade deshalb) gleiche Maßstäbe anlegen wie an andere Zeitgenossen auch.
Mein Fraktionskollege Anton Brenner beantragte nicht die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft sondern eine Reflexion im Gemeinderat. Wer 500 Jahre Tübinger Universitätsgeschichte recherchiert hat, sollte bei der eigenen NSDAP-Mitgliedschaft nicht schnoddrig reagieren.
Anton Brenners Anfrage lautete wie folgt:
"Als es um die Ehrenbürgerschaft des über 90-jährigen Herbergsvaters der Obdachlosen, Herrn Beyer, ging, regte Stadtrat Riethmüller an, eventuelle Nazi-verstrickungen zu überprüfen. Dies wurde ihm zugesagt. Und es wurde darüber berichtet, dass nichts über eine Nazi-Vergangenheit vorliege.
Wenn eine Erkenntnis wie eine NSDAP-Mitgliedschaft aufgetaucht wäre, hätte dies für Herrn Beyer ernste Konsequenzen gehabt. Einen Ehrenbürger Beyer hätte es dann nicht gegeben.
Hat die Stadt Tübingen eine ähnliche Überprüfung im Fall Walter Jens veranlasst? Wenn nicht: Weshalb kam es zu dieser Ungleichbehandlung von Walter Jens. Wird es eine Aussprache im Ältestenrat über den Fall des Ehrenbürgers Walter Jens und der Verhehlung seiner NSDAP-Mitgliedschaft geben?"
Und die Oberbürgermeisterin sagte zu, die Angelegenheit zu besprechen. Es war Kollege Riethmüller, der die Latte einst so hochlegte. Nun sollte zumindest geklärt werden, ob die Verleihung von Ehrenbürgerschaften - wie bei Walter Jens geschehen - ohne Beratung und in geheimer Abstimmung erfolgen müssen.
Vielleicht kann man zukünftig ganz auf solch riskante Art Stadtmarketing verzichten. Oder man schränkt das auf solche Personen ein, die sich speziell um Tübingen verdient gemacht haben. Unsere Fraktion hatte da mal gute Namen ins Gespräch gebracht.
Gerlinde Strasdeit
Stadträtin der Tübinger Linken/PDS
Man kann die Lebensleistung von Walter Jens achten und dennoch (oder gerade deshalb) gleiche Maßstäbe anlegen wie an andere Zeitgenossen auch.
Mein Fraktionskollege Anton Brenner beantragte nicht die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft sondern eine Reflexion im Gemeinderat. Wer 500 Jahre Tübinger Universitätsgeschichte recherchiert hat, sollte bei der eigenen NSDAP-Mitgliedschaft nicht schnoddrig reagieren.
Anton Brenners Anfrage lautete wie folgt:
"Als es um die Ehrenbürgerschaft des über 90-jährigen Herbergsvaters der Obdachlosen, Herrn Beyer, ging, regte Stadtrat Riethmüller an, eventuelle Nazi-verstrickungen zu überprüfen. Dies wurde ihm zugesagt. Und es wurde darüber berichtet, dass nichts über eine Nazi-Vergangenheit vorliege.
Wenn eine Erkenntnis wie eine NSDAP-Mitgliedschaft aufgetaucht wäre, hätte dies für Herrn Beyer ernste Konsequenzen gehabt. Einen Ehrenbürger Beyer hätte es dann nicht gegeben.
Hat die Stadt Tübingen eine ähnliche Überprüfung im Fall Walter Jens veranlasst? Wenn nicht: Weshalb kam es zu dieser Ungleichbehandlung von Walter Jens. Wird es eine Aussprache im Ältestenrat über den Fall des Ehrenbürgers Walter Jens und der Verhehlung seiner NSDAP-Mitgliedschaft geben?"
Und die Oberbürgermeisterin sagte zu, die Angelegenheit zu besprechen. Es war Kollege Riethmüller, der die Latte einst so hochlegte. Nun sollte zumindest geklärt werden, ob die Verleihung von Ehrenbürgerschaften - wie bei Walter Jens geschehen - ohne Beratung und in geheimer Abstimmung erfolgen müssen.
Vielleicht kann man zukünftig ganz auf solch riskante Art Stadtmarketing verzichten. Oder man schränkt das auf solche Personen ein, die sich speziell um Tübingen verdient gemacht haben. Unsere Fraktion hatte da mal gute Namen ins Gespräch gebracht.
Gerlinde Strasdeit
Stadträtin der Tübinger Linken/PDS