Montag, 24. November 2003
Friede den Dönerbuden
Schwäbisches Tagblatt, Mi 19.11.2003

Friede den Dönerbuden
 
Tübinger Stadtverwaltung will sich mit sieben ungenehmigten Imbiss-Betrieben arrangieren

Entwarnung für Döner-Griller, Fritten-Brutzler und Gyros-Brater: hier die "Olive" - und ihre Laufkundschaft.

TÜBINGEN. Manche Dinge dauern eben etwas länger. Als bei einem TAGBLATT-Podium im Februar 2002 Ordnungsbürgermeister Gerd Weimer einen Kompromiss mit den Inhabern ungenehmigter Imbissbuden in der Altstadt in Aussicht stellte, schien der Konflikt ausgeräumt. Doch erst jetzt, 21 Monate später, steuert der Streit auf eine Lösung zu.

Die Regeln in der Tübinger Altstadt sind streng. Neue Gaststätten werden nicht zugelassen, damit das fragile Gleichgewicht der Nutzungen "Wohnen, Arbeiten, Freizeit" nicht kippt. Clevere Geschäftsleute umgingen die Hürde, indem sie solche Speise- und Schankwirtschaften eröffneten, die keine Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz benötigen. Im einzelnen verzichteten sie deshalb auf Sitzgelegenheiten, schenkten nur alkoholfreie Getränke aus oder tarnten sich mit ins Schaufenster gestellten Lebensmitteln als Einzelhändler und hielten sich an die Laden-Öffnungszeiten.

Die Stadtverwaltung erwog deshalb zu Jahresbeginn 2002, solchen Betrieben auf der Grundlage des Baurechts die "gaststättenähnliche" Nutzung zu verbieten. Es hob daraufhin eine öffentliche Debatte an, bei der sowohl veränderte Mittagstisch-Gewohnheiten als auch die erkennbare Verödung des Stadtzentrums zur Sprache kamen.

Die folgenden sieben Betriebe standen auf der Kippe: Kichererbse und ABC (Metzgergasse), Orient und Olive (Kornhausstraße), Indische Lebensmittel (Lange Gasse), Indian Store (Schleifmühleweg) sowie Saray (Am Lustnauer Tor). Die Verwaltung schlägt nun vor, diese Imbisse zu dulden und ihnen eine Konzession zu erteilen, solange sie vom bisherigen Inhaber betrieben werden und unter der Bedingung, dass sie weiterhin keine Stühle aufstellen, keinen Alkohol ausschenken und die Öffnungszeiten des Einzelhandels einhalten. Zusätzliche Betriebe werden nicht geduldet. Ein weiter gehendes rechtliches Entgegenkommen, wie es etwa CDU und TÜL/PDS im Gemeinderat vorschlugen, lehnte Bürgermeister Weimer bei einer Pressekonferenz gestern ab.

In Übereinstimmung mit der Verwaltungsspitze, dem Planungsamt und externen Sachverständigen befürchtet er, dass durch einen ungehinderten Zuzug weiterer Imbisse ein "trading-down"-Effekt in der Altstadt eintreten könnte.

Gemeint ist diese Abwärtsspirale: Imbiss kann höhere Mieten bezahlen und verdrängt Einzelhandel, höheres Mietniveau sorgt für weitere leerstehende Läden, Unterversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs führt schließlich zum Wegzug der Wohnbevölkerung aus dem Zentrum. Noch hat der Gemeinderat der Duldung der bestehenden Imbisse nicht zugestimmt. "In der Vorberatung", so Weimer, "ging unser Vorschlag den einen zu weit, den anderen nicht weit genug." Da die Lösung der Stadtverwaltung pragmatisch in der Mitte liege, ist Weimer zuversichtlich: "Wir kriegen das hin".

Eckhard Ströbel

... link


Umfrage: Von den Reichen das Sparen lernen
Schwäbisches Tagblatt online - www.tagblatt.de, Sa 1. 11. 2003

Umfrage: Von den Reichen das Sparen lernen

Jetzt ist doch tatsächlich das eingetreten, was die größten Skeptiker und die lautesten Kritiker der endlosen Umbau-, Reform- und Sparrunden seit Monaten grau in schwarz an die Rathauswand malen: Die Stadt Tübingen will ihren Arbeitern, also jenen Mitarbeitern, die am schlechtesten bezahlt werden, die Hälfte der letztverbliebenen übertariflichen Leistung, die so genannte Leistungszulage wegnehmen.

Das träfe dann insbesondere Müllwerker und Putzfrauen. Es sind in der Mehrzahl erfolgreiche Selbständige, wohlbestallte Beamte, gut situierte Pensionäre und Rentner, Angestellte und Lehrer aus den Reihen von CDU, SPD, UFW, WUT und FDP, die jetzt für diesen Verwaltungsantrag stimmten.

Sämtliche bisher gewährten Zulagen werden nun zum Jahresende gekündigt. Falls der Gemeinderat bei der im November beginnenden Haushaltsrunde noch Spielraum sehen sollte, kann er die Hälfte der bisher bezahlten Zulagen, nämlich 42000 Euro pro Jahr, nach vorher auszuarbeitenden, "transparenten Kriterien" neu ausloben. Leistung soll sich wieder lohnen!

Es ist selbstredend nicht die Schlechtigkeit der Verwaltungs-Oberen, die solches alleine anzettelt. Ursache ist wie derzeit immer die miserable Finanzverfassung, in der sich eben auch die Kommune befindet. Zudem unternahm der im Frühjahr in Pfrondorf krisentagende Rat selbst den Vorstoß und gab bei der Verwaltung den Kahlschlag in Auftrag.

Da städtische Angestellte nicht über den Sätzen des Tarifvertrags und Rathaus-Beamte nicht besser bezahlt werden, als es die Besoldungsordnung vorschreibt, blieb nur, die Geringstverdiener zu schröpfen. Nicht ganz, muss man hier einschränken: Personal-Ab- und Ämter-Umbau belasten unter anderem auch höhere Chargen in Form von Mehrarbeit. Aber ihr Portemonnaie blieb verschont.

Die angepeilte Kürzungssumme von rund 40000 Euro ist angesichts des 6,5-Millionen-Lochs im nächsten Stadt-Etat ein Klacks. Aber für manche Putzfrau, so sagte die städtische Personalratsvorsitzende Anneliese Schreiner warnend, macht die Kürzung just den Unterschied zur Sozialhilfe aus.

Etwas mehr, nämlich rund 50000 Euro jedes Jahr, wären gespart, wenn die Oberbürgermeisterin und die drei Beigeordneten ihre Zulagen, die 48 Stadträte ihre Sitzungsgelder um jeweils ein Viertel kürzen würden.

Doch danach sieht es leider nicht aus. Schon im Mai lehnte der Rat in eigener Sache eine zehnprozentige Kürzung seiner Aufwandsentschädigung ab. Solche Abstriche würden das politische Gewicht des Rats gegenüber der Verwaltung mindern, war damals das Argument. Ob es die Demokratie stärkt, wenn die Fraktionen jetzt die Schwächsten schwächen?

Spart die Stadt Tübingen bei den Falschen? Diskutieren Sie mit:

Die Meinungen unserer Surfer/innen:

6.11.2003 20:24
Die Frage, ob die Stadt bei den Falschen spart, ist wohl eindeutig mit ja zu beantworten. In diesem Zusammenhang fiel mir wieder der geniale Vorschlag der OB ein, professionelle ErzieherInnen in den Kindertagesstätten etc. durch Ehrenamtliche zu ersetzen. Warum ersetzen wir nicht die OB durch eine Ehrenamtliche? Bei dem Gehalt der OB von 7000 Euro ungrad könnte die Kommune auf Dauer viel sparen und das Geld sinnvoller einsetzen. Kürzen bei denjenigen, die eh am Wenigsten haben, durch die, die am Meisten haben, ist schon ein beachtlicher Zynismus.
 Polli 

6.11.2003 00:12
Während die OB-in Japan zum bestimmt netten Gedankenaus-tausch über Stadtentwicklung plaudert, machen sich die Tübinger Putzfrauen und Arbeiter derweil um ein weiteres Stück Kürzung ihres Gehaltes Sorgen. Das nennt man dann Vorbild-funktion oder ?
 hd bauschert 

3.11.2003 20:21
Das alle spraren müssen, ist klar. Und zur Not auch die Allerärmsten. Unfair wird es, wenn an anderer Stelle das Geld zum Fenster hinausgeworfen wird. Und das kann man der OB wirklich vorwerfen
 Frauke 

2.11.2003 23:56
Die OB will bei Ihren Prestigeprojekten Großsporthalle, Technologie-Park und AfroBrasil keinen Cent sparen. Sozialinitiativen, kleine Kulturvereine und städtische Bedienstete sollen es ausbaden! Diese Politik ist unsozial! Bei der nächsten OB-Wahl wieder anzutreten, dass kann sich die OB auch gleich sparen! Bei der Kommunalwahl gehört die angeblich soziale SPD abgestraft! Das ist Wahlbetrug!
 Frederico Elwing 

2.11.2003 21:35
Die sogenannten "Sozialdemokraten" hängen doch nur noch am Rockzipfel ihrer Chefin. Die einzigen, die sich noch getrauen sozialdemokratisches Handeln einzufordern sitzen peinlicherweise bei der TÜL/PDS
 M.Scholpp 

2.11.2003 16:53
Die Amtsführung der Oberbürgermeisterin ist nicht mehr von sozialer Einstellung geprägt. Wie kann man bei derart desolater Haushaltslage dann noch den Bau einer neuen Sporthalle verantworten???
 Horst Schmidt 

2.11.2003 15:24
Wie wäre es gewesen, man hätte die neue Sporthalle weggelassen?
 Frauke 

1.11.2003 22:53
Die Stadt spart an den Falschen! Tübingen soll die Gehälter der Gemeinderäte/innen kürzen - die verdienen eh zu viel und machen auch nen Haufen Mist!!
 Alex 

1.11.2003 20:00
die müllwerker lassen dann einfach die eine oder andere tonne der herren stadträte stehen...
 mike 

... link


Französisches Viertel: Kino-Fans hoffen noch
Reutlinger Generalanzeiger, Sa 22. 11. 2003

Unterschriften-Aktion - Konkurrenz für die Altstadt? Kulturverein in der preisgekrönten Tübinger Südstadt will sich mit Entscheidung des Stadtrats nicht einfach abfinden

Kino-Fans hoffen noch

VON JOACHIM KREIBICH

Protest-Vorführung unter freiem Himmel: Oberbürgermeisterin und Stadträte haben ein Stadtteil-Kino abgelehnt. Die Filmfreunde verweisen auf den gültigen Rahmenplan, in dem ein Kino ausdrücklich als wünschenswert eingestuft wurde.

TÜBINGEN. Ist ein Kino in der preisgekrönten Tübinger Südstadt fehl am Platz? Keineswegs, finden die Initiatoren einer Unterschriften-Aktion, die in diesen Tagen ihren Protest im Rathaus artikulierten. Die rund 550 Unterzeichner wenden sich gegen eine Entscheidung der Stadträte, die von Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer unterstützt wurde.

Ein kleines Kino mit zwei Sälen à 70 und 140 Plätzen im Französischen Viertel. So sahen die Pläne von Carsten Schuffert aus, der mit seiner Firma »Bewegte Bilder« unter anderem beim Sommernachtskino mitmischt. Der Oberbürgermeisterin war das nicht geheuer. Brigitte Russ-Scherer plädierte dafür, den Antrag abzulehnen. Kinos, so die Argumentation, müssten Anziehungspunkte in der Altstadt sein. Konkurrenz in den Stadtteilen dürfe nicht zugelassen werden.

Der Verein Kultur im französischen Viertel und viele Bewohner reagierten empört auf die Ablehnung. Jutta Baitsch, Julia Feldtkeller und Gerd Siebert zogen den gültigen Rahmenplan hervor, in dem 1993 ausdrücklich betont wurde, dass sich im Viertel kulturelle Anziehungspunkte etablieren sollten. Als Beispiele wurden damals genannt: Galerien, Ateliers, Gaststätten, Leihbüchereien, Musikkneipen - und eben auch Kinos.

Die Ablehnung, so Julia Feldtkeller, stehe in klarem Widerspruch zu den erklärten Zielen der Unistadt. Die Vereinsmitglieder waren nicht bereit, den Beschluss des Stadtrats kommentarlos hinzunehmen. Im Viertel wurden Unterschrifts-Listen aufgelegt, die sich rasch füllten. »Die Mehrheit wohnt im Französischen Viertel, auf dem Loretto-Areal oder in angrenzenden Gebieten. Darüber hinaus haben auch Bewohner anderer Stadtteile unterschrieben sowie der benachbarten Orte Wankheim, Kusterdingen und Kirchentellinsfurt.«

Protest mit King Kong

Als weiteres sichtbares Zeichen des Protests rief der Kultur-Verein die Bewohner zum Freilichtkino. Auf der Wand des Parkhauses turnten an einem Samstag-Abend »King Kong und die weiße Frau.« Die Kino-Freunde brachten Stühle und Getränke mit und zeigten, dass man mit dem Schwenk im Rathaus keineswegs einverstanden war.

Die Erfolgs-Aussichten ihrer Aktionen beurteilen Feldtkeller, Baitsch und Sieber eher skeptisch: »In der Sache wird sich wahrscheinlich nichts mehr ändern«, vermutet Julia Feldtkeller. Dennoch richtete man die dringende Bitte an die Oberbürgermeisterin, »den Weg für ein Kino im Französischen Viertel freizumachen« und hofft, dass bei künftigen Entscheidungen anders verfahren wird.

Carsten Schuffert hat ebenfalls wenig Hoffnung, dass sich in Sachen Kino in der Südstadt noch einmal etwas tut. In einem Nachgespräch habe die OB die ablehnende Haltung bekräftigt. »An dieser Position hat sich seither nichts geändert.« Ihm selbst bleibe nichts anderes, als abzuwarten, ohne so recht an einen möglichen Sinneswandel der Verantwortlichen zu glauben.

Die Befürchtungen, ein kleines Stadtteil-Kino könne der Altstadt Konkurrenz machen, hält er angesichts der 1 200 Kinostühle im Zentrum für übertrieben. »Schauen wir einfach mal was passiert. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass ins Französische Viertel ein Kino hingehört.«

... link