Donnerstag, 18. Dezember 2003
IHK gegen Steuerschraube
Schwäbisches Tagblatt, Do 18.12.2003

TÜBINGEN

Höhere Grundsteuern wären nach Ansicht der Reutlinger Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Wirtschaftsstandort Tübingen schädlich. Deshalb appelliert die IHK an den Gemeinderat, an dieser Steuerschraube nicht zu drehen.

Der Streit über die Grundsteuer gehört zu den größten Hürden, die der Tübinger Rat heute Abend auf dem Weg zu einem Etat-Kompromiss nehmen muss. Wie berichtet, haben sich die Fraktionen in dieser Frage in drei Lagern formiert: SPD und FL wollen die von der Oberbürgermeisterin beantragte 22-prozentige Erhöhung in voller Höhe mittragen. CDU, UFW und TÜL/PDS lehnen - teils mehr, teils weniger entschieden - jede Steigerung des Hebesatzes ab. Und AL, WUT und FDP plädieren für unterschiedliche Varianten dazwischen.

In dieser Auseinandersetzung, bei der es um bereits eingeplante Mehreinnahmen von über zwei Millionen Euro geht, hat jetzt auch die Industrie- und Handelskammer eingegriffen. In einem Brief an die Ratsfraktionen und in einer öffentlichen Erklärung warnt die IHK vor den "schädlichen Folgen" einer solcher Erhöhung für die Tübinger Unternehmen, die "schon jetzt unter einer besonders hohen Abgabenlast zu leiden" hätten. Die angepeilte Steigerung des Hebesatzes auf den Freiburger Spitzenwert von 500 Prozent stehe zudem "in eklatantem Widerspruch" zu den Leitlinien der Unistadt, die eine "moderate kommunale Steuer- und Abgabenpolitik" vorsehen.

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An vier "Knackpunkten" im Tübinger Etat scheiden sich die Geister
Schwäbisches Tagblatt, Mi 17.12.2003

Noch keine Mehrheit in Sicht

An vier "Knackpunkten"im Tübinger Etat scheiden sich die Geister

TÜBINGEN (sep). Am Willen fehlt es nicht. Angesichts des im Frühjahr ausbrechenden Wahlkampfes sind die acht Fraktionen im Tübinger Rat fest entschlossen, den Etat 2004 noch vor Weihnachten unter Dach und Fach zu bringen. Das Problem dabei ist nur: Bislang weiß niemand, wer mit wem welches Gesamtpaket schnüren könnte.

Auf diese Frage gab es am Montag beim Auftakt zum Etat-Finale noch keine Antworten, jedenfalls nicht im öffentlichen Teil der Sitzung. Den nutzten die Fraktionen vielmehr dazu, ihre Haushaltsanträge (wir berichteten) zu erläutern und dabei ihre wichtigsten Pflöcke noch etwas tiefer einzurammen. Weil auf diesem Weg erwartungsgemäß keine Annäherung zu erzielen war, wurde das Prozedere nach anderthalb Stunden ergebnislos abgebrochen - in der Hoffnung, dass hinterher die Unterhändler der Fraktionen in kleiner Runde hinter verschlossener Tür eher vorankommen.

Nach unseren Informationen kreisten die nächtlichen Sondierungsgespräche vor allem um vier "Knackpunkte", die für alle Gruppierungen von zentraler Bedeutung sind. Dabei geht es um die Fragen, ob und wie stark die Grundsteuer erhöht werden soll, in welchem Umfang Immobilien zum Löcherstopfen verkauft werden sollen, ob die städtische Wirtschaftsförderungs-GmbH (WIT) ihr Stammkapital abliefern soll und schließlich, ob die Kosten für die Kinderbetreuung weiter verringert werden sollen.

Beim Poker um jeden einzelnen Knackpunkt, so war zu erfahren, zeigten sich einige Fraktionen durchaus flexibel, in der Gesamtschau waren die Unterhändler dann aber wieder weit entfernt von einem mehrheitsfähigen Paket. Konkret sieht es an den Konfliktfronten in etwa so aus:

Grundsteuer: SPD und FL bestehen auf die von der Oberbürgermeisterin geforderte Erhöhung um 22 Prozent. CDU, UFW und TÜL/PDS sind dagegen, AL, WUT und FDP plädieren für unterschiedliche Varianten dazwischen. Hier scheint ein Kompromiss möglich, da insbesondere die UFW offenbar bereit ist, von ihrem strikten Nein abzugehen.

WIT-Kapital: Hier sind die Fronten bislang starr. CDU, UFW, FL und TÜL/PDS (zusammen 23 Stimmen) verlangen, dass die zwei Millionen Euro, die der WIT für die Entwicklung von Gewerbebrachen überwiesen wurden, in die Stadtkasse zurückgeholt werden. Doch dagegen wehren sich die anderen Fraktionen (25 Stimmen) und die OB ganz entschieden.

Grundstücksverkäufe: CDU, AL, UFW und FDP (27 Stimmen) sind in unterschiedlichem Umfang bereit, Immobilien für den Etat-Ausgleich zu versilbern, die übrigen Fraktionen sind da ziemlich skeptisch, aber notfalls wohl nicht kategorisch dagegen.

Kinderbetreuung: Dieses Thema ist für alle Fraktionen ein heißes Eisen. Während UFW und WUT mit aller Macht auf zusätzliche Einsparungen drängen, blieben bisher alle anderen Fraktionen bei ihrem mehr oder minder kompromisslosen Nein.

Somit zeichnet sich bislang weder eine rot-grüne noch eine schwarz-rote oder sonstige Mehrheit ab. Für die Unterhändler bleibt deshalb noch einiges zu tun, wenn die Etat-Verhandlungen am morgigen Donnerstag (Beginn der Sitzung: 17 Uhr) zu Ende gebracht werden sollen.

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Mittwoch, 17. Dezember 2003
Haushalt - Erste Runde bei der Beratung des Tübinger Etats
Reutlinger Generalanzeiger, Mi 17.12.2003

2004 wird's wieder kein Sommertheater geben

Die Leuchttürme geraten ins Wanken

VON ULRICH KURZ

TÜBINGEN. Grundsteuererhöhung oder keine Erhöhung? Für Tübingen ist die Beantwortung dieser Frage schon fast existentiell, für einige Fraktionen eine Frage der Weltanschauung. Die CDU-Ratsfraktion, die Freie Wähler und die Tübinger Linke/PDS halten nichts davon, die Grundsteuer von 410 auf 500 Prozentpunkte zu erhöhen und damit mit Freiburg gleichzuziehen.

Hoffnungen, der Berliner Kompromiss im Vermittlungsausschuss habe eine spürbare Entlastung für die Universitätsstadt gebracht, sind am Montagabend schon zerstoben: Das Vorziehen der Senkung der Einkommensteuer hat die Kommune bereits vorweggenommen, statt der eingeplanten 1,6 Millionen sind es jetzt 1,7 Millionen Euro. Geht es nach der Verwaltung, wird der Überschuss zusammen mit einer Rücklage in Höhe von 900 000 Euro die Lücke von rund einer Million schließen, die der Stadt durch die höhere Kreisumlage entstanden ist.

Keine Chance, im kommenden Jahr wieder aufzuleben, hat das Tübinger Sommertheater. Nach den Auseinandersetzungen ums Zimmertheater und dessen ehemaligem Leiter wird die Stadt die Idee erst wieder für 2005 aufgreifen können. Nur die CDU wollte lediglich die Hälfte des Betrags (15 000 Euro) gestrichen haben, die SPD bestand auf einer fünfprozentigen Kürzung wie bei allen kulturellen Einrichtungen.

Am Montagabend ging das Gespenst der »Leuchtturm-Förderung« um. Alternative wie auch Freie Wähler war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Einrichtungen wie LTT oder auch Zimmertheater ohne wesentliche Einbußen gefördert werden, kleine Kultur- und Sozialvereine dagegen eine prozentualen Abschlag in Kauf nehmen müssen. Ganz konsequent verhielt sich die WUT, deren Sprecher Hermann-Arndt Riethmüller »ans Eingemachte« gehen will. »Wenn wir vom Sparen sprechen«, so der Tübinger Buchhändler ganz apodiktisch, »dann müsste der Haushalt in seiner vorliegenden Form eigentlich abgelehnt werden.«

Kürzung mit der Axt

Riethmüller, der vehement dafür streiten will, die Mischfinanzierungen aufzugeben, scheut sich auch nicht, den Zuschuss für das Zimmertheater zu streichen, was SPD-Fraktionsführerin Erika Braungardt-Friedrichs mit der Bemerkung quittierte, die WUT gehe »mit der Axt« ans Eingemachte und wolle sogar das Zimmertheater schließen.

Die SPD steht im Wesentlichen hinter den Vorgaben der Verwaltung. Die Fraktion wolle den »Wohlfühlcharakter« der Stadt erhalten und die »vielfältigen kulturellen Angebote« in der Kommune unterstützen. Zusammen mit den Alternativen sprach sich die SPD dafür aus, auf einen Teil der Sitzungsgelder zu verzichten, je nach Zugehörigkeit zwischen fünf und zehn Prozent.

CDU wie auch Freie Wähler wollen, um ihre Ablehnung der Grundsteuer-Erhöhung anderweitig finanziell abzufedern, ein Darlehen aus den Rücklagen der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft in Höhe von zwei Millionen, die CDU befristet auf drei Jahre, die UFW unbefristet.

Die Oberbürgermeisterin hatte angekündigt, noch vor Weihnachten einen Haushalt zu verabschieden. Der Rat hat dazu am Donnerstag Gelegenheit.

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Donnerstag, 11. Dezember 2003
Gemeinderat: Mehrheit etwas dünner
Schwäbisches Tagblatt, Fr 12.12.2003

TÜL/PDS-Rat Anton Brenner nennt Subventionspolitik "rückwärts gewandt"

TÜBINGEN (ec). Stadtverwaltung und Gemeinderat halten am Technologiepark auf der Viehweide fest. Trotz sechsstelliger Verluste und scharfer Kritik der TÜL/PDS billigte der Rat jetzt den jährlich zu aktualisierenden Kostenplan.

Wenn es um den Technologiepark geht, wusste Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer bisher stets den Gemeinderat - außer drei TÜL/PDS-Vertretern - hinter sich. Mit Peter Bosch (FL) und Heinz Stenz (WUT) gibt es jetzt zwei Stadträte mehr, die es nicht in Ordnung finden, dass die Stadtkasse den Mietausfall im nur zum geringeren Teil belegten neuen Laborgebäude mit 600 000 Euro übernehmen muss.

Als die Verwaltung diese Woche das Budget für den auf 15 Jahre angelegten Entwicklungsbereich "Obere Viehweide" vorlegte (Ausgaben: 19 Millionen, davon Grunderwerb: 7,7 Millionen, Erschließung: 7,8 Millionen Euro), rechnete Anton Brenner (TÜL/PDS) einmal mehr mit der, wie er meint, "altbackenen, rückwärts gewandten Subventionskultur" ab. Rund vier Millionen Euro soll die Stadt für die Entwicklung des Technologie-Quartiers aufbringen, sechs Millionen Euro steuert das Land dazu bei. Miet-Subventionen und -Ausfälle sind nicht hier, sondern zusätzlich im Stadt-Budget zu verbuchen.

Brenner ließ an dem Projekt keinen guten Faden und beantragte, die Konzeption zu überarbeiten, alle Investitionen zu stoppen und nicht ausgegebene Mittel an die Stadtkasse zurückzuzahlen. Mit der L-Bank und ihren Firmen getroffene Abmachungen seien neu zu verhandeln, so dass keine Kosten mehr für die Stadt entstünden. Aus den Förder- und Unterstützergesellschaften solle die Stadt austreten. Die große Ratsmehrheit teilte Brenners Auffassung nicht sondern wies seinen Vorstoß zurück.

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Gemeinderat: Erstmal im Konsens
Schwäbisches Tagblatt, Do 11.12.2003

Gemeinderat beschloss Veränderungen bei jeder dritten Kinder-Gruppe

TÜBINGEN (ec). Mit breiter Mehrheit hat der Gemeinderat diese Woche organisatorische Veränderungen bei den städtischen Kinderbetreuungs-Einrichtungen beschlossen. Im kommenden Jahr sollen dadurch 240000, ab 2005 sogar 320000 Euro jährlich eingespart werden.

Ausgangspunkt aller Überlegungen, die in einer aus Rats- und Verwaltungsvertretern zusammengesetzten Arbeitsgruppe angestellt worden waren, war die Ebbe in der Stadtkasse. Die Arbeit in dieser so genannten AG 2 wurde auch hinsichtlich der Einsicht der Elternvertreter in Kürzungsnotwendigkeiten verschiedentlich gelobt. Stellvertretend sprach Dietmar Schöning (FDP) von einer "sehr guten Zusammenarbeit zwischen Rat, Verwaltung und Elternvertretern" und hob vor allem die "gründliche Vorarbeit" hervor, die in anderen Verwaltungsbereichen "erst noch geleistet werden muss". Entsprechend umfassend war die Zustimmung zu dem differenzierten Konzept, das mehr oder minder starke Veränderungen bei 37 von 103 städtischen Kinder-Betreuungsgruppen nach sich ziehen wird: Die meisten Vertreter von CDU, SPD, AL, FL, FDP votierten dafür. Mehrere Enthaltungen kamen von WUT und UFW.

Joachim Gellert machte deutlich, dass für die Freie Liste mit diesem Sparbeschluss im Bereich der Kindergärten die unterste Grenze erreicht sei ("das Äußerste"). Die UFW sieht das anders. "Wir stimmen heute zwar zu", sagte Kurt Friesch, "werden bei der Haushaltsberatung aber noch einmal eine Kürzung um 250000 Euro beantragen". Die Mehrzahl der WUT-Räte teilt diese Auffassung. "Wir müssen ehrlich sein", sagte Hermann-Arndt Riethmüller, "und feststellen, dass durch diesen Schritt der überproportionale Anstieg der Personalkosten in den Kindergärten nur von 23 auf 15 Prozent sinkt". Er kündigte weitere Einschnitte an. Sein Fraktionskollege Gottfried Gehr vertrat eine andere Position. Die Erfahrung der Zusammenarbeit in der AG 2 lehre ihn, dass man einen Konsens mit den Eltern suchen müsse. "Wenn wir Kürzungsvorgaben über die Köpfe der Betroffenen hinweg festsetzen, ziehen wir massive Vorwürfe auf uns - man haut uns dann den Technologiepark und die Großsporthalle um die Ohren."

Die TÜL/PDS-Fraktion ließ sich erst gar nicht auf die Kürzungsdebatte ein. Sie beantragte im Alleingang erstens die auf Mitteleinsparungen zielenden Vorschläge zur Neuorganisation abzulehnen und zweitens den Zuschussbetrag zu den Kindereinrichtungen um zehn Prozent zu erhöhen. Es sei schädlich für das Ansehen der Stadt, sagte die Stadträtin Gerlinde Strasdeit, wenn der Betreuungsstandard sinke. Vor allem im Wettbewerb um neue Einwohner und qualifizierte Arbeitskräfte spielten so genannte weiche Standortfaktoren eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Tübinger Kindergärten, so Strasdeit, müssten zum "Leuchtturm" im Konkurrenzkampf der Standorte werden. Da nur die drei TÜL/PDS-Vertreter die Hand hoben, unterlag Strasdeits Antrag in der Abstimmung klar.

Auch Schöning lehnte den Vorstoß von Strasdeit scharf ab: "Die PDS hat noch immer nicht begriffen, wie es steht. Sie lebt nach wie vor in einer liladunklen Traumwelt."

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Samstag, 6. Dezember 2003
Kreisetat: Grüne und TüL wollen Zuschüsse und Ausbildungsplätze erhalten
Schwäbisches Tagblatt, Sa 6.12.2003

Bloß nicht mit dem Rasenmäher

Kreisetat: Grüne und TüL wollen Zuschüsse und Ausbildungsplätze erhalten

KREIS TÜBINGEN (mm). Der Kreistag hat am Mittwoch mit Mehrheit entschieden: Die Zuschüsse für die Schulsozialarbeiter sollen halbiert werden. Bei den Haushaltsberatungen wird die Sache nun erneut zum Thema. SPD, Grüne und TüL/PDS plädieren mit ihren Etatanträgen für die Beibehaltung der bisherigen Zuschüsse.

Kommenden Mittwoch, 10. Dezember, beginnt der Kreistag um 15 Uhr im großen Sitzungssaal des Landratsamts mit der öffentlichen Debatte über den 132-Millionen-Euro-Etat, den der Landrat vorgelegt hat. Joachim Walter will die Kreisumlage um 5,5 Prozentpunkte herauf setzen lassen: Der Streit um die Geldverteilung zwischen dem Kreis und seinen Kommunen ist damit vorgezeichnet.

Das Thema Schulsozialarbeit ist da nur eines von mehreren Kapiteln. Wie die SPD (wir berichteten über deren Etatanträge am Mittwoch) fordern auch die Kreistags-Grünen und die TüL/PDS, die Zuschüsse für die Schulsozialarbeit "im bisherigen Umfang" fortzusetzen. Der Kreis müsse die Schulsozialarbeiter "weiterhin zur Hälfte wie bisher" finanzieren.

Auch "Personalabbau und Kürzung von Fördermitteln" lehnen TüL/PDS wie auch die Grünen ab: In den Kreisetat seien für die Sozialvereine, Selbsthilfeinitiativen und Beratungsstellen "mindestens dieselben Beträge wie 2003 einzusetzen", heißt es bei TüL-Kreisrat Gerhard Bialas. Auch die Grünen halten "das Rasenmäher-Prinzip", 20 Prozent an den Zuschüssen für Vereine und Institutionen zu streichen, "für falsch": Dies würde etliche Organisationen in ihrer Existenz bedrohen, meinen sie. Die Ausarbeitung eines "differenzierten Konzepts bis zum Haushalt 2005" sei besser.

Sowohl die bisherige Förderung der Schulsozialarbeit als auch die beibehaltenen Zuschüsse für die Vereine könnte sich der Landkreis den Grünen zufolge leisten, wenn er die Belagsarbeiten an der Kreisstraße Rottenburg-Remmingsheim verschieben und auf den Ausbau des Mössinger Nordrings verzichten würde: Der Kreistag gewönne dadurch - so der Deckungsvorschlag der Grünen - einen Finanzspielraum von 310000 Euro.

Außerdem verlangen sowohl der TüL-Kreisrat als auch die Grünen vom Landratsamt, "die Praktikanten- und Ausbildungsstellen voll zu besetzen" (Bialas): "Keine Halbierung der Ausbildungsplätze", sagen die Grünen. Das Vorhaben, die Ausbildungs- und Praktikantenstellen von 18 auf neun zusammenzustreichen, meint Grünen-Sprecher Gerd Hickmann, "passt absolut nicht in die Zeit - die öffentliche Hand ist da besonders in der Pflicht".

Gerhard Bialas wehrt sich obendrein gegen den "Verzicht auf Ersatzeinstellungen bei Elternzeit-Vakanzen": Knapp 92000 Euro zusätzlich beantragt er dafür im Stellenplan.

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Donnerstag, 27. November 2003
Walter Jens: »Reiner Karteivorgang«
Reutlinger Generalanzeiger, Mi 26.11.2003

NSDAP-Mitgliedschaft - Der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens hat ein gutes Gewissen

»Reiner Karteivorgang«

TÜBINGEN. Der Tübinger Literaturwissenschaftler Walter Jens hat im Zusammenhang mit seiner jetzt entdeckten NSDAP-Mitgliedschaft »ein reines Gewissen«. Er habe nichts zu verbergen und es habe für ihn auch nie einen Grund zum Vertuschen gegeben, »aber ich muss ja von der eigenen Vergangenheit erst einmal etwas wissen, bevor man sich outen kann«, sagte Jens. Ein Antrag auf Parteimitgliedschaft liege nicht vor und eine Mitgliedskarte sei ihm nie ausgehändigt worden. »Das muss ein reiner Karteivorgang eines HJ-Jahrgangs gewesen sein.«

Der 80-jährige Ehrenpräsident der Berliner Akademie der Künste reagierte damit auf die Darstellung des im Dezember erscheinenden »Internationalen Germanistenlexikons 1800-1950«. Danach ist Jens am 1. September 1942 in die NSDAP aufgenommen worden. Dies gilt den Akten zufolge unter anderem auch für die Germanisten Peter Wapnewski und Walter Höllerer.

Ganze Jahrgänge übernommen

«Ich war kein Widerstandskämpfer. Ich war in der Hitler-Jugend, ich war 19«, sagte Jens jetzt dazu. Wenn er als Jugendlicher einen Fehler gemacht haben sollte, dann habe er ihn »weiß Gott wieder gutgemacht«. Er denke nicht daran, sich nach über 60 Jahren einem »Spruchkammer-Verfahren« zu stellen. Er werde jedoch alles tun, um zu beweisen, dass es seinerzeit die Überführung von ganzen Jahrgängen der Hitler-Jugend und anderer Organisationen oder Teilen von ihnen gegeben habe, wofür es eine Reihe von Zeugen gebe. »Davon haben höchstens die Eliten der HJ etwas erfahren.«

Vielleicht ein »Generalwisch«

Einen Grund zum Vertuschen habe er nicht, betonte Jens. »Das war nach bestem Wissen und Gewissen bis zum Erweis des Gegenteils ein reiner Karteivorgang. Ich hatte und habe ein reines Gewissen. Aber niemand kann Irrtümer ausschließen, dass zum Beispiel auf einer großen Versammlung damals ein »Generalwisch« unterschrieben wurde.« Er habe auch nie Mitgliedsbeitrag gezahlt. »Ich war wohl, wie Wapnewski sagt, ein unwissender Parteigenosse. Auch damit muss man sich selbst konfrontieren, wenn man es im Nachhinein erfährt. Natürlich denkt man jetzt über seine eigene Vergangenheit nach, ohne dass ich etwas zu korrigieren hätte.«

Stadtrat Anton Brenner (TÜL/PDS) hat gefordert, den Ältestenrat des Tübinger Gemeinderats einzuberufen. »Wir müssen darüber beraten, wie wir damit umgehen, dass wir ein ehemaliges NSdAP-Mitglied zum Ehrenbürger Tübingens gemacht haben.« Walter Jens ist am 1. Dezember vergangenen Jahres zusammen mit der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard und dem Theologen Hans Küng zum Tübinger Ehrenbürger ernannt worden. (dpa/GEA)

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Afrobrasil weiter auf dem Marktplatz
Reutlinger Generalanzeiger, Mi 26.11.2003

Festival - Stadträte lehnen Verlegung in die Thiepval-Kaserne ab. Ablauf nach dem im Sommer erprobten Muster

Afrobrasil weiter auf dem Marktplatz

Alles wie gehabt, aber ein dritter Festivaltag wie beim Landesjubiläum mit Cassandra Wilson bleibt die Ausnahme.

VON JOACHIM KREIBICH

TÜBINGEN. Die Pläne für eine Verlegung sind vom Tisch. Der Zoo soll auch im nächsten Jahr sein Afrobrasil-Festival auf dem Tübinger Marktplatz ausrichten dürfen. Und zwar nach dem Muster von diesem Sommer mit Konzerten freitags und samstags und mit einer zusätzlichen Off-Bühne auf dem Haagtor-Platz.

Kulturbürgermeister Gerd Weimer hatte eindringlich gewarnt. Tübingen profitiere von dem Groß-Ereignis. Eine Verlegung könnte das Aus für Afrobrasil bedeuten. Weitere Einschränkungen wie ein Aufbau der Bühne erst am Vortag ab 16 Uhr hätten die gleiche Wirkung: »Das wäre der K.o.«

Weimer hatte sich selbst ein Bild gemacht und wandte sich auch gegen ein Verbot der Off-Bühne. »Ich war dort. Es war schön, es war voll.«

Vor allem AL und TÜL/PDS machten sich für einen Umzug in die Thiepval-Kaserne stark und nannten weitere Kritik-Punkte. Doch auch aus anderen Fraktionen waren Stimmen zu hören, die dafür plädierten, lärmgeplagten Anwohnern und von der Marktplatz-Sperrung betroffenen Marktbeschickern und Händlern entgegenzukommen.

Doch diese sind nach Beobachtung von Gerd Weimer in der Beurteilung des Festivals längst nicht einer Meinung. Bei allen Treffen mit Händlern und Anwohnern hätten sich sowohl Befürworter als auch Gegner zu Wort gemeldet. »Wir haben mit allen potenziell Betroffenen gesprochen. Überall gibt's Fans von Afrobrasil.« Hermann-Arndt Riethmüller (WUT) bekannte: »Der Riss geht mitten durch die Familie.«

»Leere Drohung«

Helga Vogel blieb hart. Zwei Tage reichten völlig aus, fand die AL-Rätin, aufs Haagtor könne ganz verzichtet werden, weil dort nur Musik von der Konserve laufe. Weil man dem Zoo zum Landes-Jubiläum 2002 den kleinen Finger gereicht und einen dritten Konzert-Abend genehmigt habe, wolle der nun die ganze Hand und wiederhole seine Forderung nach genereller Ausweitung des Festivals auf einen dritten Tag. Samstag/Sonntag wäre nach Auffassung der Alternativen die bessere Kombination als Freitag/Samstag gewesen.

Den Marktplatz sollte der Zoo nach dem Willen einiger Stadträte nur noch in den Jahren kriegen, in denen kein Stadtfest gefeiert wird. Der Umzug in die Thiepval-Kaserne sei durchaus vernünftig. Vogel: »Die bietet eine genauso interessante Kulisse.« Dietmar Schöning (FDP) wollte zumindest andere Verlegungs-Möglichkeiten geprüft wissen.

Anton Brenner (TÜL/PDS) provozierte die Rathaus-Spitze, indem er den »leer stehenden Technologie-Park« als Ausweich-Möglichkeit vorschlug. Der PDS-Mann hält den Hinweis der Veranstalter, bei einer Verlegung sei das Festival gefährdet, für eine »leere Drohung« und bezichtigte die Stadtverwaltung der »Kumpanei mit dem Zoo.« Mit einer Verlegung sei den Veranstaltern letztlich sogar gedient. Marktplatz-Anwohner drohten bereits mit Muster-Prozessen.

Sprecher von CDU und SPD verwiesen auf ein im September ergangenes Urteil des Bundesgerichtshofs, in dem ein vergleichbarer Fall entschieden wurde. Bürgermeister Weimer sieht das Votum der Tübinger Stadtverwaltung fürs Festival durch dieses Urteil sogar bestätigt, mochte jedoch trotz mehrerer Nachfragen von Seiten der PDS und der AL nicht preisgeben, welche Werte die Tübinger Lärm-Messungen ergeben haben. Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer sicherte zu, die höchstrichterliche Rechtsprechung in puncto Lautstärke werde bei den Auflagen für die Veranstalter berücksichtigt.

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Montag, 24. November 2003
Anton Brenner: Afro-Brasil in die TÜ-Arena
Schwäbisches Tagblatt, Fr 7.11.2003

Anton Brenner
Anton Brenner

TÜBINGEN. "Viel zu laut", dröhnte es den Machern des diesjährigen Afro-Brasil-Festivals in den Ohren. Noch nie hatten sich die Marktplatzanwohner so massiv beschwert. Nun wird diskutiert, wie es mit dem Tübinger Festival weitergehen soll. Während es Organisator Winfried Kast auf drei Tage ausdehnen will, hält Anton Brenner, Stadtrat für die Tübinger Linke Liste (TÜL/PDS), zwei Tage für ausreichend. Außerdem könnte das Event alle zwei Jahre seinen angestammten Platz auf dem Marktplatz gegen einen anderen Platz austauschen. Warum nicht in die neue TÜ-Arena?! Sagt Brenner.

Herr Brenner, wann waren Sie zum letzten Mal auf dem Tübinger Afro-Brasil-Festival?

Das ist schon ein paar Jahre her.

Mit Freikarte?

Nein. Viele meiner Gemeinderatskollegen haben die Freikarten allerdings gern genommen. Seit Jahren bekamen die Gemeinderäte und auch andere Repräsentanten des öffentlichen Lebens Freikarten. Die Kombination mit einer Vorzugsbehandlung hat mich gestört. Ich konnte im Gemeinderat beobachten, dass die kleinen Aufmerksamkeiten wirken. Andere Gruppen dagegen werden benachteiligt, obwohl sie viel stärker auf städtische Zuschüsse und Entgegenkommen angewiesen sind. Sie leiden unter den Kürzungen, aber der Zoo wird davon ausgenommen, obwohl kommerzielle Veranstaltungen nicht Ziel öffentlicher Förderungen sein sollten.

Aber das Afro-Brasil-Festival ist doch ein einmaliges Kulturerlebnis, zu dem die Besucher aus der ganzen Republik kommen...

... nein, nein, das ist ja kein Tübinger Unikat, sondern Teil einer kommerziellen Tournee. Die Gruppen reisen durch viele Städte. Sie fliegen nicht nur wegen Tübingen über den Teich. Deshalb ist es nicht zuviel verlangt, wenn die verschiedenen Interessen diskutiert und abgewogen werden.

Das diesjährige Tübinger Afro-Brasil-Festival hat bei vielen Anwohnern des Marktplatzes einigen Unmut hinterlassen. "Viel zu laut", schallte es. Was muss sich ändern?

Die Schmerzgrenze wurde diesmal bei vielen Anwohnern überschritten. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. So könnte etwa das Beschallungssystem modernisiert werden, damit nicht die ganze Altstadt den Lärm mitbekommt. Beim Umbrisch-Provenzalischen Markt etwa gibt es keine Verstärker. Man könnte beim Afro-Brasil-Festival eine Ausnahme machen, aber eben mit optimierten Lautsprechern, damit die Musik nicht über den beschallten Platz hinaus hörbar ist. Alle anderen Veranstaltungen, auch das Stadtfest, sollten ohne Verstärker auskommen. Damit man sich noch unterhalten kann, das passt besser zur Tübinger Altstadt.

Nun möchte der Organisator Winfried Kast das Festival auf drei Tage ausdehnen...

...da halte ich nichts von, zwei Tage müssen reichen.

Sie hatten den Vorschlag gemacht, das Festival nur alle zwei Jahre auf dem Marktplatz zu veranstalten. In der Zwischenzeit könnte es etwa auf der Oberen Viehweide stattfinden. Ist das überhaupt praktikabel?

Ja, das ist gar nicht so absurd. Das Argument, dass es immer am gleichen Platz sein muss, zieht nicht. Wir haben vorgeschlagen, andere Standorte zu prüfen. Das Depot wäre eine Möglichkeit, aber auch die Obere Viehweide oder die neue Sporthalle beim Festplatz. Wenn der SV 03 Tübingen nicht in die Basketball-Bundesliga aufsteigt, wird die Tü-Arena kaum voll werden. Dann könnte man das Festival als sportliche Veranstaltung deklarieren, und die Halle würde wenigstens mal gut gefüllt.

Interview: Manfred Hantke

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Winfried Kast: Afro-Brasil nur im Konsens
Schwäbisches Tagblatt, Mo 17.11.2003

Winfried Kast: Afro-Brasil nur im Konsens

Winfried Kast, Organisator des Tübinger Afro-Brasil-Festivals.

Herr Kast, empfinden Sie die Kritik am vergangenen Afro-Brasil-Festival (Freikarten, Lautstärke) überzogen?

Nun, wir haben nach dem Konzert überwiegend positive Reaktionen aus ganz Europa bekommen und entsprechende begeisterte Nachrichten von Leuten erhalten, die sich bedankt haben. Aber auch vielen Marktplatzbewohnern hat das letzte Afro-Brasil-Festival sehr gut gefallen. Die weit überwiegende Mehrheit findet es prima. Da wird etwa in den angrenzenden Lokalen oder Wohnungen eingeladen, da herrscht eine gute Stimmung. Die Kritik, die sich am Afro-Brasil-Festival entzündet hat, ist die Summe all dessen, was in diesem Sommer in der Altstadt zusammengekommen ist. Das hängt man jetzt vielleicht an unserem Festival auf.

Das Afro-Brasil-Festival soll im kommenden Jahr leiser werden, fordert TÜL/PDS-Stadtrat Anton Brenner. Er schlägt vor, das Beschallungssystem zu modernisieren, damit nicht die ganze Altstadt den Lärm mitbekommt. Ist das machbar?

Mit der Beschallung haben wir eine Firma beauftragt, die bereits seit acht Jahren für uns arbeitet. Sie kennt die örtlichen Gegebenheiten bestens und hat auch in den ganzen Jahren kontinuierlich an der Verbesserung der Übertragung gearbeitet. Die Mehrheit sagt, dass sich da sehr viel getan hat und nur noch sehr wenig über den Marktplatz hinaus gehört wird. Die Firma wird versuchen, die Lautstärke auch dort noch zu minimieren.

Herr Brenner sagt auch, dass zwei Tage Afro-Brasil reichen müssen. Sie aber wollen das Festival auf drei Tage ausdehnen.
Welche Chancen sehen Sie dafür?

Durch die Infrastruktur, die wir brauchen, haben wir nicht nur eine Menge Arbeit, sondern auch hohe Kosten. Da liegt es nahe, die Kosten umzulegen. Es gibt einen Konsens, das Festival am Freitag und Samstag stattfinden zu lassen. Was darüber hinaus möglich ist, weiß ich nicht.

Halten Sie es für praktikabel, das Festival alle zwei Jahre an einen anderen Standort zu verlegen, etwa ins Depot oder gar in die neue Tü-Arena?

Unsere Veranstaltung ist Europas größtes Afro-Brasil-Open-Air, "das faszinierendste Festival in Europa", wie Gilberto Gil in seinem Festival-Grußwort schrieb. Die afro-brasilianische Kultur vor der mittelalterlichen Kulisse ist einmalig. Da gibt es überhaupt keine Alternative. Sogar das brasilianische und auch das japanische Fernsehen haben über das diesjährige Festival berichtet.

Wie weit sind Sie mit Ihrem neuen Konzept zum Afro-Brasil-Festival gekommen? Was beinhaltet das?

"Neues Konzept ...", das klingt etwas überzogen. Wir haben bereits auf informeller Ebene und mit dem Arbeitskreis Gespräche geführt. Da hat sich gezeigt, dass das eine oder andere Problem ausgeräumt werden konnte. Derzeit sind wir mit den Anwohnern, den Geschäftsleuten, den Marktbeschickern und dem Ordnungsamt im weiteren Kontakt. Da ist auch die Tonfirma dabei. Wir reden darüber, was verbessert werden kann und was machbar ist. Wir können und wollen nicht gegen den Willen der Anwohner ein Festival machen. Aber es muss bestimmte Rahmenbedingungen geben, unter denen das Festival stattfinden kann. Schließlich tragen wir auch hohe Risiken und Kosten. Wir wollen Entscheidungen im Konsens finden.

Interview: Manfred Hantke

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