Donnerstag, 11. Dezember 2003
Gemeinderat: Mehrheit etwas dünner
Schwäbisches Tagblatt, Fr 12.12.2003

TÜL/PDS-Rat Anton Brenner nennt Subventionspolitik "rückwärts gewandt"

TÜBINGEN (ec). Stadtverwaltung und Gemeinderat halten am Technologiepark auf der Viehweide fest. Trotz sechsstelliger Verluste und scharfer Kritik der TÜL/PDS billigte der Rat jetzt den jährlich zu aktualisierenden Kostenplan.

Wenn es um den Technologiepark geht, wusste Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer bisher stets den Gemeinderat - außer drei TÜL/PDS-Vertretern - hinter sich. Mit Peter Bosch (FL) und Heinz Stenz (WUT) gibt es jetzt zwei Stadträte mehr, die es nicht in Ordnung finden, dass die Stadtkasse den Mietausfall im nur zum geringeren Teil belegten neuen Laborgebäude mit 600 000 Euro übernehmen muss.

Als die Verwaltung diese Woche das Budget für den auf 15 Jahre angelegten Entwicklungsbereich "Obere Viehweide" vorlegte (Ausgaben: 19 Millionen, davon Grunderwerb: 7,7 Millionen, Erschließung: 7,8 Millionen Euro), rechnete Anton Brenner (TÜL/PDS) einmal mehr mit der, wie er meint, "altbackenen, rückwärts gewandten Subventionskultur" ab. Rund vier Millionen Euro soll die Stadt für die Entwicklung des Technologie-Quartiers aufbringen, sechs Millionen Euro steuert das Land dazu bei. Miet-Subventionen und -Ausfälle sind nicht hier, sondern zusätzlich im Stadt-Budget zu verbuchen.

Brenner ließ an dem Projekt keinen guten Faden und beantragte, die Konzeption zu überarbeiten, alle Investitionen zu stoppen und nicht ausgegebene Mittel an die Stadtkasse zurückzuzahlen. Mit der L-Bank und ihren Firmen getroffene Abmachungen seien neu zu verhandeln, so dass keine Kosten mehr für die Stadt entstünden. Aus den Förder- und Unterstützergesellschaften solle die Stadt austreten. Die große Ratsmehrheit teilte Brenners Auffassung nicht sondern wies seinen Vorstoß zurück.

... link


Gemeinderat: Erstmal im Konsens
Schwäbisches Tagblatt, Do 11.12.2003

Gemeinderat beschloss Veränderungen bei jeder dritten Kinder-Gruppe

TÜBINGEN (ec). Mit breiter Mehrheit hat der Gemeinderat diese Woche organisatorische Veränderungen bei den städtischen Kinderbetreuungs-Einrichtungen beschlossen. Im kommenden Jahr sollen dadurch 240000, ab 2005 sogar 320000 Euro jährlich eingespart werden.

Ausgangspunkt aller Überlegungen, die in einer aus Rats- und Verwaltungsvertretern zusammengesetzten Arbeitsgruppe angestellt worden waren, war die Ebbe in der Stadtkasse. Die Arbeit in dieser so genannten AG 2 wurde auch hinsichtlich der Einsicht der Elternvertreter in Kürzungsnotwendigkeiten verschiedentlich gelobt. Stellvertretend sprach Dietmar Schöning (FDP) von einer "sehr guten Zusammenarbeit zwischen Rat, Verwaltung und Elternvertretern" und hob vor allem die "gründliche Vorarbeit" hervor, die in anderen Verwaltungsbereichen "erst noch geleistet werden muss". Entsprechend umfassend war die Zustimmung zu dem differenzierten Konzept, das mehr oder minder starke Veränderungen bei 37 von 103 städtischen Kinder-Betreuungsgruppen nach sich ziehen wird: Die meisten Vertreter von CDU, SPD, AL, FL, FDP votierten dafür. Mehrere Enthaltungen kamen von WUT und UFW.

Joachim Gellert machte deutlich, dass für die Freie Liste mit diesem Sparbeschluss im Bereich der Kindergärten die unterste Grenze erreicht sei ("das Äußerste"). Die UFW sieht das anders. "Wir stimmen heute zwar zu", sagte Kurt Friesch, "werden bei der Haushaltsberatung aber noch einmal eine Kürzung um 250000 Euro beantragen". Die Mehrzahl der WUT-Räte teilt diese Auffassung. "Wir müssen ehrlich sein", sagte Hermann-Arndt Riethmüller, "und feststellen, dass durch diesen Schritt der überproportionale Anstieg der Personalkosten in den Kindergärten nur von 23 auf 15 Prozent sinkt". Er kündigte weitere Einschnitte an. Sein Fraktionskollege Gottfried Gehr vertrat eine andere Position. Die Erfahrung der Zusammenarbeit in der AG 2 lehre ihn, dass man einen Konsens mit den Eltern suchen müsse. "Wenn wir Kürzungsvorgaben über die Köpfe der Betroffenen hinweg festsetzen, ziehen wir massive Vorwürfe auf uns - man haut uns dann den Technologiepark und die Großsporthalle um die Ohren."

Die TÜL/PDS-Fraktion ließ sich erst gar nicht auf die Kürzungsdebatte ein. Sie beantragte im Alleingang erstens die auf Mitteleinsparungen zielenden Vorschläge zur Neuorganisation abzulehnen und zweitens den Zuschussbetrag zu den Kindereinrichtungen um zehn Prozent zu erhöhen. Es sei schädlich für das Ansehen der Stadt, sagte die Stadträtin Gerlinde Strasdeit, wenn der Betreuungsstandard sinke. Vor allem im Wettbewerb um neue Einwohner und qualifizierte Arbeitskräfte spielten so genannte weiche Standortfaktoren eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Tübinger Kindergärten, so Strasdeit, müssten zum "Leuchtturm" im Konkurrenzkampf der Standorte werden. Da nur die drei TÜL/PDS-Vertreter die Hand hoben, unterlag Strasdeits Antrag in der Abstimmung klar.

Auch Schöning lehnte den Vorstoß von Strasdeit scharf ab: "Die PDS hat noch immer nicht begriffen, wie es steht. Sie lebt nach wie vor in einer liladunklen Traumwelt."

... link


Kreistag: Ein Grundstückle half aus dem Desaster
Schwäbisches Tagblatt, Do 11.12.2003

Schiergar wäre der Tübinger Kreishaushalt gekippt/Kompromiss nach langer Sitzungspause

KREIS TÜBINGEN (rem). Beinahe hätte der neue Landrat Joachim Walter mit seinem ersten Kreishaushalt Schiffbruch erlitten: Schier unversöhnlich prallten nach dreieinhalbstündiger Debatte die Gegensätze aufeinander: Globale Minderausgaben forderten die einen, "Luftnummer!" hielten die anderen dagegen und wollten eine höhere Kreisumlage in Kauf nehmen. Nach gut einstündiger Sitzungspause präsentierte Walter dann den mehrheitsfähigen Kompromiss. Lediglich die Grünen wollten den "ungedeckten Wechsel auf die Zukunft" nicht unterschreiben.

Von einer Verdoppelung des Schuldenbergs auf 48 Millionen Euro hatte Sabine Schlager (Grüne) zuvor im Zusammenhang mit dem Neubau des Landratsamts gesprochen und die Kürzungen bei den freiwilligen sozialen Leistungen angeprangert. Das gefährde die Motivation der Ehrenamtlichen.

Ähnliche Töne hörte man auch von Gerhard Bialas (TÜL/PDS), der sich in seiner bislang "miserabelsten Haushaltsrunde" wähnte. Als sprichwörtlich "neuer Besen" kehre der Landrat nicht gut, rupfe er doch in seinen Sparbemühungen Kultur-, Bildungseinrichtungen und soziale Institutionen. Als Verfechter der Teufelschen Verwaltungsreform könne sich Joachim Walter sicher sein, dass sein Haushalt durch die Obrigkeit abgesegnet werde.

Ansonsten überwog deutliches Lob für die Arbeit des neuen Kreisverwaltungs-Chefs. Manfred Hofelich (FWV) hatte "erstmals seit Jahren eigene ernsthafte Konsolidierungsmaßnahmen der Kreisverwaltung" beobachtet und lobte "bei aller Grausamkeit dieses Zahlenwerks das Bemühen, einen sehr sparsamen Haushalt aufzustellen". Nochmals mit globalen Minderausgaben im Personalbereich zu operieren, wie von SPD und FDP beantragt, hielt er für "nicht seriös". Er forderte die Verwaltung auf, die Vermarktung der alten Amtsgebäude in der Doblerstraße zu forcieren. Im übrigen belaste der Neubau den Kreis heuer lediglich mit 0,25 Prozent der Kreisumlage und später nur mit jährlich einem Prozent.

Auf dem "richtigen Weg" sah auch Klaus Tappeser (CDU) den Landrat. Viele Budgets im Haushalt seien "auf Kante genäht", und zum ersten Mal gingen die Personalkosten zurück. Gleichwohl müssten mehr Anstrengungen im Sozial- und Jugendbereich unternommen werden, weshalb die CDU hier eine weitere Minderausgabe von einer Million Euro beantragte.

Gerade in diesem Bereich dürfe man keinen Rückzieher machen, gab Robert Hahn für die SPD die Hoffnung nicht auf, dass sich der Kreistag nach seinem Teilrückzug aus der Förderung der Schulsozialarbeit (wir berichteten) später wieder eines besseren besinnt. Mit einer Reduzierung der Zuführungsrate um 1,5 Millionen Euro auf Null und einer Globalen Minderausgabe bei den Personal- und Jugendhilfekosten lasse sich die Erhöhung der Kreisumlage dämpfen.

Vier Prozent-Punkte Erhöhung bei der Kreisumlage stellten für Dietmar Schöning (FDP) die Obergrenze dar. Dafür wollte er bei den Personal- und Sachausgaben global zwei Prozent (571000 Euro) und bei der Jugendhilfe zusätzliche zehn Prozent streichen.

In der folgenden Abstimmungrunde blieb es bei den 20-prozentigen Kürzungen für die Vereine, Theater und sozialen Institutionen - mit Ausnahme der IAV-Stellen. Eine Mehrheit gab es für den Antrag der CDU/Grünen/FDP, die Investitionspauschale des Landes für Kreisstraßen künftig im Verwaltungshaushalt zu verbuchen. Eine eigentlich "rechtswidrige Schönheitsoperation" , wie Eugen Schmid (FWV)befand - allerdings nicht lange, weil Brigitte Russ-Scherer ihrem Amtsvorgänger auf die Sprünge half und ihn daran erinnerte, dass er "in früheren Jahren öfter zu solchen Maßnahmen gegriffen habe". Nachdem der Landrat versicherte hatte, dass ein solcher Akt laut Regierungspräsidium "keinen gravierenden Verstoß" darstelle, war die Mehrheit gesichert.

Der Rest der Sitzung war vom Widerstreit der Gegner und Anhänger weiterer "Globalkürzungen" bestimmt. Landrat Joachim Walter zeigte die Folgen aus seiner Sicht auf. "Luft im Personalbereich" sei nicht mehr drin. Zusätzliche Kürzungen seien "ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter". Die Folgen wären entweder Kündigungen oder, wie in der Vergangenheit, Fehlbeträge. Eine solche "Flickschusterei" mache er nicht mit, und weiter: "Für eine solche Politik stehe ich nicht!"

Brigitte Russ-Scherer (SPD) hielt dagegen. "Was wir gemacht haben, davon sind Sie noch kilometerweit entfernt", erinnerte sie an den kompletten Einstellungsstopp, an Steuereinbrüche und Haushaltssperre im Tübinger Rathaus, nicht zu vergessen die 1,4 Millionen globale Minderausgaben. Weil die Unistadt beinahe die Hälfte der Kreisumlage mittrage, müsse der Landkreis Solidarität zeigen. "Unabhängig von solchen Krokodilstränen" erinnerte Manfred Schmiderer (FWV) daran, dass "die Politik seit Jahren zu Lasten der Gemeinde gemacht wird, und nun versuchen wir zu schönen, was zu schönen ist und tun uns keinen Gefallen dabei."

Weitere Kürzungsaufträge seien nur Kosmetik nach dem Motto: "Tausche Luft gegen globale Minderausgaben." Mehrheitlich lehnte das Gremium daraufhin die beantragten Globalkürzungen ab. Allein mit ihrem Nein blieben danach die Grünen /FL, als es um den Grundstückskauf für den Mössinger Nordring ging.

Das Ja zum Gesamtetat fiel schließlich, nachdem die Verwaltung eine weitere Möglichkeit entdeckt hatte, bei der Eingliederungshilfe Jugendlicher (340000 Euro) zu kürzen. Außerdem will man ein sechs Ar großes Grundstück in der Doblerstraße für 540000 Euro verkaufen. Macht eine Reduzierung der geplanten Kreisumlage von 39,12 Prozent auf mehrheitsfähige 38,05 Prozent.

... link


Gemeinderat: Radikaler Kurswechsel
Schwäbisches Tagblatt, Fr 5.12.2003

TÜL/PDS-Fraktion fordert mehr Geld für Soziales

TÜBINGEN (sep). Die TÜL/PDS-Fraktion peilt mit ihren Anträgen zum Etat-Entwurf 2004 eine radiakle Kurskorrektur in der Tübinger Kommunalpolitik an: Statt "fahrlässig auf Prestige-Projekte zu setzen", solle man mehr für die soziale Infrastruktur tun.

Die Misere der Stadtkasse ist nach Ansicht der TÜL/PDS einerseits der Berliner "Umverteilungspolitik von unten nach oben" anzulasten, andererseits aber auch gravierenden Fehlern der Tübinger Kommunalpolitik (Landratsamtsneubau, Technologiepark, Wirtschaftsförderung, Großsporthalle). Mit einer Erhöhung der Grundsteuer, die von der dreiköpfigen Fraktion strikt abgelehnt wird, könne man diese Fehler nicht korrigieren.

Stattdessen fordert die TÜL/PDS den Ausstieg aus der Wirtschaftsförderung, konkret: die Streichung der Zuschüsse für den Technologiepark (600 000 Euro), für die Wirtschaftsförderungs-GmbH (153 000 Euro), für die BioRegio Stern (83 000 Euro) und für die Standort-Agentur Tübingen-Reutlingen-Neckar-Alb (30 000 Euro). Zudem soll die Wirtschaftsförderungs-GmbH jene zwei Millionen Euro, die sie für die Entwicklung von Gewerbebrachen erhalten hat, an die Stadt zurückzahlen.

Im schulischen, sozialen und kulturellen Bereich lehnt die Fraktion sämtliche vorgesehenen Kürzungen ab. Mehr noch, sie verlangt, dass beim Bau der neuen Sporthalle 1,5 Millionen Euro eingespart und sozialen Zwecken gewidmet werden. Auch das Landestheater soll zwei Prozent mehr bekommen. Im übrigen übernimmt die TÜL/PDS das Antragspacket der acht Ortschaftsräte, die sich mehr Geld für Schulen, Hochwasserschutz und Erschließung wünschen.

Unter dem Motto "Oben kürzen - nicht unten" wehrt sich das TÜL/PDS-Trio entschieden gegen die geplante Kürzung der Leistungszulagen für die städtischen Arbeiter und gegen weitere Abstriche bei den Ämter-Budgets (in Form einer globalen Minderausgabe von 1,4 Millionen Euro). Stattdessen ließe sich ihrer Ansicht mit dem Verzicht auf verwaltungsformerische Ausgaben (inklusive Bürgerbüro, Öffentlichkeitsarbeit und Führungsunterstützung) eine Menge Geld sparen - insgesamt über 300 000 Euro.

... link


Pavillon am See hatte keine Chance
Schwäbisches Tagblatt, Mi 10.12.2003

Der Tübinger Rat opfert den Basketballplatz für die Erweiterung des Uhland-Gymnasiums

TÜBINGEN (sep). Der Streit über den günstigsten Standort für die Erweiterung des Uhland-Gymnasiums ist ausgefochten: Der Tübinger Rat entschied sich am Montag für einen zweistöckigen Anbau auf dem Basketballplatz zwischen den beiden Sporthallen. Nur dort, so meinte die Mehrheit, lasse sich das 520000 Euro teure Projekt bis zum Herbst 2004 realisieren.

Wohl noch nie haben sich so viele Tübinger Gymnasiasten zu einem städtischen Bauprojekt zu Wort gemeldet. Erst ließen die Schüler-Sprecher des Uhland-Gymnasiums 600 Mitstreiter auf dem Basketballplatz aufmarschieren, um für einen baldigen Neubau an dieser Stelle zu demonstrieren. Danach sammelten ihre Kepi-Kollegen 780 Unterschriften gegen den Verlust des Spielfeldes.

In der Ratsdebatte spielten die gegenläufigen Interessen der Schüler durchaus eine Rolle, umstimmen ließ sich die Mehrheit dadurch aber nicht - so wenig wie vom Vorstoß der Baubürgermeisterin, die sich am Samstag im TAGBLATT aus städtebaulichen Gründen für einen Pavillon am Anlagensee ausgesprochen hatte. Diese Lösung wurde ursprünglich auch von OB Brigitte Russ-Scherer befürwortet. Am Montag plädierte sie aber - "ungeachtet der städtebaulichen Bedenken des Baudezernats" - für die Überbauung des Spielfeldes. Ihre Begründung: "Ich fühle mich verpflichtet, den zugesagten Zeitplan einzuhalten, und das können wir mit der Variante am See nicht garantieren."

Dieser Argumentation schlossen sich - sehr zur Freude einiger anwesender Uhland-Lehrer - die Sprecher von CDU, SPD, UFW, WUT, TÜL/PDS und FDP an. Zwar räumten sie ein, dass der Pavillon die "elegantere" Lösung wäre. Allerdings müsse man befürchten, dass der Stadt im Park engagierte Naturschützer in die Quere kämen. Deshalb bliebe dem Rat, wenn er die dringend benötigten Räume bis zum Beginn des nächsten Schuljahres bereitstellen wolle, gar nichts anderes übrig, als den Neubau auf dem Basketballfeld anzusiedeln.

"Bildung hat Vorrang" lautete das von UFW-Rat Jürgen Steinhilber ausgegebene Motto, mit dem die Protest-Autogramme aus dem Kepler-Gymnasium zurückgewiesen wurden. Um die Kepi-Schüler ("ein kleiner Störfaktor") zu beruhigen, versprach ihnen CDU-Rat Dieter Pantel, für ein "Ersatzspielfeld in ähnlicher Nähe zu den Gymnasien" zu sorgen - "sobald es die Finanzen erlauben".

Diese Zusage wird der Gemeinderat nach Ansicht von AL und FL kaum einhalten können. "Ein Basketballplatz im Park", so meinte etwa AL-Rat Mathias Bruder, "ist noch viel schwerer durchzusetzen als ein Pavillon am See." Auch das ein Grund für den FL-Rat und Kepi-Lehrer Klaus Schiffler, den "unglaublich wichtigen Freiraum für die Schüler" nicht für einen "städtebaulichen Unsinn" zu opfern: "Wir glauben der Baubürgermeisterin, dass sie den Pavillon genauso schnell hinkriegt."

Und wenn nicht, dann könne man dem Uhland-Gymnasium vorübergehend mit Containern aus den Patsche helfen. Darauf ließen sich die anderen Fraktionen jedoch nicht ein. Am Ende legte sich die Mehrheit (gegen fünf Stimmen von FL und WUT und bei neun Enthaltungen der AL) im Planungsbeschluss auf den Standort zwischen den Sporthallen fest.

... link


Samstag, 6. Dezember 2003
Kreisetat: Grüne und TüL wollen Zuschüsse und Ausbildungsplätze erhalten
Schwäbisches Tagblatt, Sa 6.12.2003

Bloß nicht mit dem Rasenmäher

Kreisetat: Grüne und TüL wollen Zuschüsse und Ausbildungsplätze erhalten

KREIS TÜBINGEN (mm). Der Kreistag hat am Mittwoch mit Mehrheit entschieden: Die Zuschüsse für die Schulsozialarbeiter sollen halbiert werden. Bei den Haushaltsberatungen wird die Sache nun erneut zum Thema. SPD, Grüne und TüL/PDS plädieren mit ihren Etatanträgen für die Beibehaltung der bisherigen Zuschüsse.

Kommenden Mittwoch, 10. Dezember, beginnt der Kreistag um 15 Uhr im großen Sitzungssaal des Landratsamts mit der öffentlichen Debatte über den 132-Millionen-Euro-Etat, den der Landrat vorgelegt hat. Joachim Walter will die Kreisumlage um 5,5 Prozentpunkte herauf setzen lassen: Der Streit um die Geldverteilung zwischen dem Kreis und seinen Kommunen ist damit vorgezeichnet.

Das Thema Schulsozialarbeit ist da nur eines von mehreren Kapiteln. Wie die SPD (wir berichteten über deren Etatanträge am Mittwoch) fordern auch die Kreistags-Grünen und die TüL/PDS, die Zuschüsse für die Schulsozialarbeit "im bisherigen Umfang" fortzusetzen. Der Kreis müsse die Schulsozialarbeiter "weiterhin zur Hälfte wie bisher" finanzieren.

Auch "Personalabbau und Kürzung von Fördermitteln" lehnen TüL/PDS wie auch die Grünen ab: In den Kreisetat seien für die Sozialvereine, Selbsthilfeinitiativen und Beratungsstellen "mindestens dieselben Beträge wie 2003 einzusetzen", heißt es bei TüL-Kreisrat Gerhard Bialas. Auch die Grünen halten "das Rasenmäher-Prinzip", 20 Prozent an den Zuschüssen für Vereine und Institutionen zu streichen, "für falsch": Dies würde etliche Organisationen in ihrer Existenz bedrohen, meinen sie. Die Ausarbeitung eines "differenzierten Konzepts bis zum Haushalt 2005" sei besser.

Sowohl die bisherige Förderung der Schulsozialarbeit als auch die beibehaltenen Zuschüsse für die Vereine könnte sich der Landkreis den Grünen zufolge leisten, wenn er die Belagsarbeiten an der Kreisstraße Rottenburg-Remmingsheim verschieben und auf den Ausbau des Mössinger Nordrings verzichten würde: Der Kreistag gewönne dadurch - so der Deckungsvorschlag der Grünen - einen Finanzspielraum von 310000 Euro.

Außerdem verlangen sowohl der TüL-Kreisrat als auch die Grünen vom Landratsamt, "die Praktikanten- und Ausbildungsstellen voll zu besetzen" (Bialas): "Keine Halbierung der Ausbildungsplätze", sagen die Grünen. Das Vorhaben, die Ausbildungs- und Praktikantenstellen von 18 auf neun zusammenzustreichen, meint Grünen-Sprecher Gerd Hickmann, "passt absolut nicht in die Zeit - die öffentliche Hand ist da besonders in der Pflicht".

Gerhard Bialas wehrt sich obendrein gegen den "Verzicht auf Ersatzeinstellungen bei Elternzeit-Vakanzen": Knapp 92000 Euro zusätzlich beantragt er dafür im Stellenplan.

... link


Freitag, 5. Dezember 2003
Walter Jens: Presseschau
Anton Brenner, Do 4. 12. 2003

Sollen wir als "Tübinger Linke - PDS" die Kritik an Walter Jens sein lassen?

1. Der "Wisch"

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer sozusagen in diese Mitgliedschaft hineinrutscht und davon gar nichts weiß, das will mir nicht so richtig einleuchten." - sagte Ralph Giordano am 26.11.2003 in einem Deutschlandfunk Interview auf Fragen von Christine Heuer.

"Ich war wohl ein unwissender Parteigenosse", sagt Walter Jens selbst, vielleicht habe er auf einer großen Versammlung einen "Generalwisch" unterschrieben. (dpa 25.11.2003)

"Es war nicht möglich, ohne eigenes Zutun Mitglied der NSDAP zu werden." heißt es in einem Gutachten des Münchner Instituts für Zeitgeschichte.

"Walter Jens ist ein Name in der evangelischen Kirche. Er ist eine Marke und für viele eine Institution. Kein Kirchentag der vergangenen Jahrzehnte, wo er nicht auftrat. Er hat Psalmen übersetzt und ausgelegt. Er hat - wie seinerzeit Luther - die Evangelien übersetzt. ... Wenn jetzt Fragen an ihn gestellt werden, dann erinnern wir uns nicht zuerst daran, dass wir Heutige auch Fragen an Martin Luther stellen müssen in bezug auf sein Bild vom Judentum. ... Aufklärung ist jetzt nötig, zu der Walter Jens alles ihm Mögliche beitragen muß. Tut er das nicht, könnte der Schatten, der jetzt auf ihn gefallen ist, größer werden als das Licht, das von seiner Arbeit ausstrahlt." - schreibt Dr. Matthias Schreiber, 26.11.2003 von der evangelischen Kirche des Rheinlands.

Der Literaturwissenschaftler Jan-Philipp Reemtsma forderte Jens indirekt auf, sich seiner Vergangenheit zu stellen. "Das Bedrückende ist, wenn jemand nicht sagen kann, ,Herrgott noch mal, ich war damals 18, 19 oder 21 Jahre alt ... und ich war ein Dummkopf, aber jetzt nicht mehr'", sagte Reemtsma im Bayerischen Rundfunk. (dpa 27.11.2003)

"Walter Jens bezeichnete seine Mitgliedschaft als "absurd und banal" und fordert nun ein "Obergutachten". Bei aller Vorsicht kann man sagen: Man würde sich freuen, wenn er seine defensive Haltung bald aufgeben würde. ... Es erscheinen in diesen Monaten viele Bücher, die sich unverstellt mit der Nazizeit beschäftigen ... Vielleicht findet Walter Jens ja noch die Souveränität, dazu wirklich etwas beizutragen. " - schreibt DIRK KNIPPHALS in der taz vom 26.11.2003

"Der Wille schwindet, über jemanden den Stab zu brechen, nur weil er Mitglied der NSDAP gewesen ist. Pikiert aber ist man, wenn er nicht dazu steht." - schreibt die NZZ am 29.11.2003

"Als 13-jähriger Schüler weigerte sich Walter Jens, seinen anti-nazistischen Lehrer an die Schulbehörde zu verraten. So schrieb er 1981 in einem Artikel für die FAZ, so dokumentierte es sein Biograf Karl-Josef Kuschel, und so will es das Publikum. Unbequemes Schweigen, das passt ins Bild; bequemes Verschweigen nicht. ... Die der Unschuld Beraubten jedenfalls pflegen das zu tun, was sie den von ihnen Angeklagten nie zugestanden haben: um Milde, Verständnis, Fairness bitten." schreibt der Rheinisch Merkur am 27.11.2003

Den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zitiert "Focus" mit der Aussage über Jens: "Mir hat er in 20 Jahren Freundschaft weder von einer Mitgliedschaft in der HJ noch in der Partei erzählt." (dpa) 01.12.2003

Jens Bisky schreibt in der Süddeutschen Zeitung vom 27.11.2003: "Die Lexikon-Autoren haben mit den Gelehrten über ihre Funde gesprochen, sie verzeichnen auch Einsprüche gegen die Aktenlage. Der Münchner Historiker Michael Buddrus erstellte ein Gutachten, demzufolge die Aufnahme in die NSDAP einen persönlich unterschriebenen Antrag voraussetzte, nach dessen Prüfung der Eintrag in die Mitgliederkartei erfolgte. Dass Mitglieder der HJ ohne ihr Wissen und ihre schriftliche Zustimmung überführt wurden, ist nach Buddrus ausgeschlossen. ... Zeitgeschichte ist seit Jahren das wirksamste Aufputschmittel der Öffentlichkeit. Man mag das bedauern, aber ohne diese nervöse Erregungsbereitschaft, das oft selbstgerechte Klima rascher Aburteilung hätten wir vieles nie erfahren. ... Es geht aber nicht darum, Prominente auf die Arme-Sünderbank zu setzen. Aber Fakten sind von Fiktionen zu scheiden, bequeme Illusionen aufzugeben. Das Dritte Reich ist kein fernes Land der Monster gewesen, Wissenschaft wurde in ihm großzügig gefördert, Begabte hatten glänzende Karrierechancen. Es gelang die Integration der verschiedensten Absichten, Interessen und Charaktere zur "Volksgemeinschaft"."

"Aber gegen genau dieses Verhalten, gegen das Verschweigen, Bagatellisieren und sich nicht erinnern können, hat Walter Jens viele Jahre vehement gestritten. Es ist eine bittere Pointe: Was Jens und andere der Generation ihrer Väter zu Recht vorgeworfen haben, galt, wie wir jetzt wissen, auch für sie selbst - über die eigene Vergangenheit wurde nicht geredet. Nicht einmal den engsten Freunden gegenüber. Mit Marcel Reich-Ranicki haben Wapnewski und Jens über all dies nie gesprochen." meint Hubert Spiegel in der FAZ vom 25. 11. 2003

Und in der Stuttgarter Zeitung vom 3.12.2003 steht: "Folgt man den Feststellungen des Historikers Buddrus, dann kann es unfreiwillige Mitgliedschaften nicht gegeben haben. Dieser Auffassung neigt man auch in der Berliner Dienststelle des Bundesarchivs zu, also dort, wo die vollständig erhaltene Mitgliederkartei lagert. ... Nehmen wir die Äußerungen der Leserbriefschreiber ernst, dann muss es reihenweise Fälschungen gegeben haben. Doch Urkundenfälschungen großen Stils hält man im Bundesarchiv für höchst unwahrscheinlich. Bisher gibt es keinen einzigen Beleg dafür. Eher im Gegenteil. Aus Berlin ist zu erfahren, die Parteizentrale, die bis zuletzt penibel arbeitete, habe Aufnahmeanträge zurückgeschickt, wenn Unklarheiten bestanden, auch hinsichtlich der Unterschrift."

Berliner Zeitung vom 26.11.2003: Jens dagegen vermutet, er sei allenfalls ohne sein Wissen in die Parteilisten geraten, und nennt die Sache "absurd und banal". Das ist eine merkwürdige Aussage für jemand, der über Jahrzehnte als das intellektuelle Gewissen Westdeutschlands auftrat, der mit rhetorischer Macht und politischem Engagement auf Vergangenheitsaufarbeitung drängte. Es ist historisch belegt, dass die NSDAP auf der eigenhändigen Unterschrift unter Parteianträgen bestand. Jens bestätigte dem "Spiegel" sogar selbst, es könne sein, er habe da "einen Wisch unterschrieben". Was heißt hier "Wisch"? ... Vor zehn Jahren, zu seinem 70. Geburtstag, gab Jens der Zeit ein Interview. Er sprach über seine Jugend in der NS-Zeit: "Gab es für Sie keinen Moment der Versuchung, mitzumachen?" - "Nein". Er sprach über die Nachkriegsjahre, das Debattieren mit Böll und anderen: "Und wir waren alle eingeschworene Demokraten - undenkbar, da hätte sich einer von uns plötzlich als Nazi entpuppt!" Und er sprach über sein Alter: "Was bedeutet für Sie Verrat, intellektueller Verrat, heute?" - "Seiner eigenen Vergangenheit auszuweichen."

Und in der Berliner Zeitung vom 27.11.2003 heißt es: "Jens wird nicht müde zu erklären, dass er sich nicht daran erinnere, einen Aufnahmeantrag in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei gestellt zu haben. Aber er erklärt auch: "Es kann ja sein, dass ich da einen Wisch unterschrieben habe ." Es ist schrecklich, aber wir werden davon ausgehen müssen, dass von dem gewaltigen Lebenswerk des ehemaligen Tübinger Rhetorikprofessors dieser Satz übrig bleiben wird. Er wirft ein so grelles Licht auf den vorgeblichen Aufklärer Walter Jens, dessen Anstrengungen jäh versagen, wenn es um die Erhellung der eigenen Geschichte geht. ... Walter Höllerer, Walter Jens, Peter Wapnewski gaben vor, uns dabei behilflich zu sein, in Wahrheit aber diente ihr viel bewundertes Reden und Schreiben weniger unserer Aufklärung als dem Beschweigen der eigenen Schande."

Unter dem Titel "Opportunisten" schreibt Theodor Ickler (im Internet): Auch wenn man Walter Jens keinen schwereren Vorwurf daraus machen sollte, daß er als junger Mann NSDAP-Mitglied war, so hätte man doch wenigstens erwarten können, daß er, der über alles und jedes geredet und geschrieben hat, den bedauerlichen Umstand wenigstens einmal zum Gegenstand einer Betrachtung oder wenigstens Erwähnung gemacht hätte. Daß im Verschweigen eine Schuld liegen könnte, scheint ihm gar nicht in den Sinn zu kommen, wenn er sich jetzt öffentlich darüber ausläßt, er sei doch gar kein "Germanist" und gehöre nicht ins Germanistenlexikon.
Aber bei Walter Jens wundert mich gar nichts, denn die Rhetorik ist ja nichts anderes als die zur akademischen Disziplin überhöhte Gesinnungslosigkeit. Mein kürzlich verstorbener akademischer Lehrer, der Indogermanist Bernfried Schlerath, charakterisiert Jens, den er als Student, nur ein Jahr jünger als der vom Militärdienst befreite Jens, in Lateinseminaren erlebte, folgendermaßen: "Jens, immer auf Wirkung bedacht, setzte sein Asthma gekonnt als rhetorisches Mittel ein: genau an der richtigen Stelle ein rasselnder Atemzug. Ich bewunderte ihn, hatte er doch gerade das, was mir fehlte: Selbstbewußtsein und Schlagfertigkeit. - Dann war es ein einziger Satz von ihm, der mich auf Distanz gehen ließ, der mich unangenehm berührte: "Nestle, dieser bedeutende Philologe - von Russen am Straßenrand erschlagen". Schlagartig sah ich, daß dieser erschütterte Blick, erst in die Runde, dann gen Himmel, diese effektvoll berechnete Pause in der Mitte des Satzes, dieser langsam erhobene Arm, die Handfläche nach oben, der Mund blieb halb geöffnet stehen, pures Theater war. Nicht daß Jens geheuchelt hätte, daß er nicht etwa wirklich betroffen war, aber er konnte offenbar um der Wirkung willen über seine Gefühle verfügen, sie nach Belieben hervorrufen. Mein Gefühl wurde mir zur Gewißheit, als Jens einige Tage später - ich war später hinzugekommen - den gleichen Satz vor anderen Gesprächsteilnehmern in genau der gleichen Weise wiederholte, exakt genau, bis in die kleinsten Einzelheiten. "Nestle, dieser bedeutende Philologe - von Russen am Straßenrand erschlagen". "Ekelhaft", dachte ich. Sein weiterer Lebensweg bestätigte meinen damaligen Eindruck. Seine letzte wichtige Leistung war sein Buch "Hofmannsthal und die Griechen" von 1955, vielleicht noch "Bauformen der griechischen Tragödie" von 1971. Dann verließ er die Klassische Philologie und produzierte sich von nun an mit allen möglichen Modeströmungen, auch politischen, als Vehikel seiner Eitelkeit und wurde so zu einer einflußreichen Figur des Geisteslebens, d. h. vor allem der Feuilletons." (Das geschenkte Leben. Dettelbach 2000, S. 141f.)

Dem Nachrichtenmagazin FOCUS sagte Jens: "Ich bin erstaunt darüber, dass der Herausgeber des Lexikons sich in dieser Frage auf ein einziges Gutachten stützt - das ist wirklich fahrlässig. Wissenschaftler müssen mindestens drei verlässliche Quellen haben, ehe sie in einer so gravierenden Frage zu einer dezidierten Stellungnahme kommen. Es geht schließlich um die Ehre von nicht ganz unangesehenen Menschen."

"Die Reaktionen der jetzt in den Blick geratenen Germanisten weisen schon einen Weg dahin, wie solche Fragen aussehen könnten. Wenn Jens sagt, die Information über seine Parteimitgliedschaft sei «absurd und banal», dann steckt in dieser Verweigerung, sich inhaltlich dazu zu stellen, genau die Schwierigkeit, die Wapnewski in seinem Fall benennt, wenn er an diesem Anlass seine eigene Erinnerungsarbeit in Frage stellt." - sagt Prof. Ulrike Landfester im St. Galler Tagblatt, 29.11.03

2. Jens, Reich-Ranicki und Walser

Wie Tilman Jens mit Billigung seines Vaters mit der "kommunistischen" Vergangenheit von Marcel Reich-Ranicki umging. Hier einige Zitate: Tilman Jens: "Ex-Kommunist Reich-Ranicki war linientreu bis über den Tod Stalins hinaus. In den Westen Deutschlands (und damit zur Hamburger "Zeit") kam er mit polnischer Staats- und Starthilfe im Jahre 1958. Als "stellvertretenden Abteilungsleiter im VII. Departement" der polnischen Auslands-Spionage findet man MRR im "Verzeichnis der höheren Geheimdienst-Offiziere" - verfaßt zur Berechnung der Rentenansprüche (!) - als Marceli Ranicki. ... Tilman Jens: "Die Briefe der Exilpolen ließ er mit Dampf öffnen. Jede verdächtige Zeile hatte
augenblicklich auf seinem Schreibtisch zu landen. Schon damals wurde emsig konspiriert und denunziert. Er sorgte dafür, daß schwarze Listen von London ins Hauptquartier nach Warschau
gelangten. Verzeichnet waren die Namen von 2000 mißliebigen Exilanten. Auch die physische Vernichtung eines Gegners war dem falschen Konsul offenkundig nicht fremd." - "Reich-Ranicki, der multimedial zum Literaturpapst gefeaterte Kultur-Clown, ist bekanntlich ein nachtragender
Mann und sein "Literarisches Quartett" eine Institution von marktbeherrschendem Einfluß."

Walter Jens und die Vergangenheitsbewältigung à la Martin Walser: »Kinder, spricht der Onkel Walser, / Preisbörsianer, Allumhalser, / unser einst zu schmales Land / ist jetzt ein normales Land, / wo man wieder schreibt und sagt, / was uns an uns selbst behagt. / Schaut euch um, doch nicht zurück: / Ravensburg statt Ravensbrück; / Meßkirch, auch sehr hübsch gelegen, / traulicher als Esterwegen. / Dachau? Flossenbürg? Ah, geh! / Bodensee - nicht Plötzensee. / Und so weiter dergestalt, / daß sich jeder ohne Reue / unsrer Nazion erfreue: / »Westerwald!« - statt Buchenwald.« Mit diesem Gedicht hat sich Peter Rühmkorf in der »Zeit« ohne Wiegen und Wägen gegen Walser gewandt. Ansonsten gibt es keinen Protest von Günter Grass, kein scharfes Wort von - ja, von wem denn noch? Grass kann nicht mehr protestieren, nachdem er sich zusammen mit Walter Jens, der als erster Walser in Schutz nahm, im Frühjahr gegen das Holocaust-Mahnmal ausgesprochen hat. ... Nach Walsers Rede war es Walter Jens, der diejenigen kritisierte, die über den Nationalsozialismus urteilen wollten, damals aber noch nicht geboren waren. Tjark Kunstreich in KONKRET 1/99

Und noch etwas zum antisemitisch gefärbten Roman Martin Walsers über Reich-Ranicki (Jens stellte sich ausdrücklich auf die Seite Martin Walsers): Was also geschieht im Reich-Ranicki-Roman «Tod eines Kritikers»? ... Und wie steht es mit der kettenrauchenden Frau Ehrl-König, von der alle nur per «Madame» sprechen? Landolf gibt Gerüchte wieder, ihr Vater «sei zuerst Privatsekretär Pétains und dann Geheimdienstchef des Vichy-Regimes gewesen». Es fällt schwer, solche Witzelei angesichts des Schicksals der realen Frau Reich-Ranicki, die mit ihrem Mann das Warschauer Ghetto und in einem Kellerversteck überlebte, nicht als unerträgliche Geschmacklosigkeit zu empfinden, zumal da sich der Vater von Teofila Reich-Ranicki im Ghetto aus Verzweiflung erhängt hat.

Ohne Zweifel wirkt das Profil Ehrl-Königs abstoßend. Die Romanfiguren schildern seine unerträgliche Eitelkeit, seine Brutalität und nicht zuletzt seine «sexuelle Delikatesse, Schwangere bis zum dritten Monat». Die sehr üble Nachrede wird übrigens Rainer Heiner Henkel in den Mund gelegt, hinter dem sich, mangelhaft verschlüsselt, Walter Jens verbirgt. Auffallend ist: Der Hass auf Ehrl-König hat häufig einen sexuellen Beigeschmack. Ein Tonbandprotokoll präsentiert eine betrunkene Schriftstellerrunde. Hans Lach ereifert sich angeekelt über das «weiße Zeug», das Ehrl-König «in den Mundwinkeln» bleibe. «Scheißschaum,» ruft ein zweiter, «das ist sein Ejakulat. Der ejakuliert ja durch die Goschen, wenn er sich im Dienst der doitschen Literatür aufgeilt. Der Lippengorilla, der elendige.» Ulrich Weinzierl in der Berliner Morgenpost

"Die antisemitischen Töne in Walsers Roman sind auch sonst unüberhörbar. Walsers jüdischer Literaturkritiker ist sexbesessen, überheblich, geldgierig und vom internationalen Judentum gedeckt. Martha Friday alias Susan Sontag lobt André Ehrl-König alias Marcel Reich-Ranicki dafür, dass er Philipp Roth alias Philipp Roth lobt. Drei Juden protegieren sich über Landes- und Nationalsprachgrenzen hinweg wechselseitig. Gegen ein solches mächtiges transatlantisches Kartell hat der Schriftsteller mit dem so bieder deutschen Namen Hans Lach keine Chance." Aus der Besprechung von Jochen Hörisch in der Frankfurter Rundschau, 27.6.2002.

3. Jens und die Sterbehilfe

"Dürfen Ärzte auf Verlangen töten? Nein, sie dürfen nicht. Zu den Leuten, die das ändern wollen, gehören die beiden Tübinger Professoren in Rente Walter Jens, 78, und Hans Küng, 73. Auf einer Podiumsdiskussion an der Tübinger Uni forderten sie von Herta Däubler-Gmelin, derzeit Bundesjustizministerin, ein deutsches Sterbehilfegesetz nach niederländischem Vorbild.... Zwar widerstand Däubler-Gmelin dem mephistophelischen Angebot und verwies auf die zum Teil absurden Regelungen der holländischen Vorlage. Aber der aggressive, eitle und selbstgewisse Tonfall, in dem Küng und Jens ihre Forderungen vortrugen, ließ uns weniger ins Angesicht weiser alter Männer schauen als vielmehr ins verzerrte Antlitz einer Sterbelobby, deren Lautstärke in nächster Zeit eher zunehmen wird: das Schlimmste kommt noch. ... In welcher Tradition das steht, ist auch Walter Jens wohl bewusst. Allein die Nennung des Begriffs "Euthanasie" ("schöner Tod") bringt ihn denn auch so in Rage, dass er auf dem Tübinger Podium gegen Däubler-Gmelin Gift und Galle spuckt: Er brauche keine "magistralen Belehrungen". Dabei hatte Däubler-Gmelin nur an gewisse ungute Traditionen der deutschen Medizin erinnert. ... Freilich ist auch die Haltung der Bundesregierung bei solchen Grenzfragen nicht einheitlich. Während Däubler-Gmelin in Tübingen Flagge zeigte, pumpt ihre Kabinettskollegin Edelgard Bulmahn Millionen in Genforschung und Biotechnologie. Nur international nicht in Rückstand geraten! Vielleicht sollte die Sozialdemokratie sich beizeiten entscheiden, welchen Weg sie mit dieser langsam vergreisenden Gesellschaft zu gehen gedenkt: Ob sie den Menschen als Organbank und Organempfänger, als nach Belieben verwertbares lebendes Ersatzteillager zum Nutzen Anderer begreift - oder ob sie ihn als autonomes und bisweilen eben widerborstiges Subjekt akzeptieren will.... Das aber ist, glaube ich, der geheime Kern des jens-küngschen Todeswunsches, der nicht nur das eigene Ableben im Auge hat: die Vorstellung, der andere, die Gemeinschaft, der Staat habe die Pflicht, dem Einzelnen einen angenehmen Tod zu verschaffen - und das heißt, er habe das Recht zu töten. Dieser Gedanke begegnet uns hier in der merkwürdigen Verkleidung, dass der Moribundus (ich übersetze: der Delinquent) selbst um den Tod bittet. Das Tötungsverbot aber ist der Grundkonsens dieser Gesellschaft; der Schritt in die staatlich erlaubte Euthanasie wäre der Schritt zurück in die braune Barbarei." Christian Gampert in FREITAG 11.05.2001

... link


Anfragen für die Fragestunde im Gemeinderat
Anton Brenner, Do 4. 12. 2003

1. Zum illegalen Verkauf von Teilen der städtischen Grafiksammlung

Ist die Stadt Tübingen bereit, unverzüglich den Rückkauf der gestohlenen Grafiken einzuleiten und damit den rechtswidrigen Verkauf, denn ein Verzicht bei gleichzeitiger Geldannahme ist nichts anderes als ein Verkauf, von Teilen der Sammlung rückgängig zu machen?

Begründung:
Im Kulturausschuss wurde die Verwaltung auf die illegale Praxis hingewiesen, ohne Grundsatzbeschluss Teile der graphischen Sammlung zu verhökern. Wenn diese Praxis nicht sofort rückgängig gemacht wird, ist kein Bürger mehr bereit, der Stadt Kunstgegenstände zu vermachen. Der Stadt ist bereits jetzt schwerer Schaden entstanden, zumal durchgesickert ist, dass die erlöste Summe dem Sommertheater der OB-Bekannten Sturm und Beil zugeschoben werden sollte.

2. Zum Mietausfall durch den Sympore-Bankrott und zur bisher unbegrenzten Haftungsverpflichtung der Stadt Tübingen für die Investitionsruine Obere Viehweide

Wie hoch wird der Mietausfall für das Biotechnologiezentrum nach einem Bankrott der Firma Sympore sein? Welche Summe müsste die Stadt im Jahr zusätzlich zu den 600.000 Euro aufbringen? Hat die Stadt Tübingen die Beanstandung des Rechnungsprüfungsamtes ernstgenommen und eine Vertragsveränderung eingeleitet, die eine Haftungsbegrenzung der Tübinger-Reutlinger Technologieförderungsgesellschaft zum Ziel hat?

3. Ein weiterer WUT-Versorgungsfall im Stadtmuseum?

Beim Organisationsmodell Nr. 4 ist eine "Vermietung der Räume in Zwischenzeiten für Empfänge" vorgesehen. Ist dabei an einen weiteren Versorgungsfall für das WUT-Klientel gedacht?

... link