Montag, 9. Februar 2004
Leserbrief: "Diese Hexenjagd"
Schwäbisches Tagblatt, Mo 9. Februar 2004

Solidaritäts-Adressen für die Tübinger Tauben-Frau Julie Beck.

Als ich kürzlich von den Aktionen aus Bürgerschaft und Stadtverwaltung gegen Frau Beck erfuhr, war ich entsetzt: Sie wurde als "Taubenhexe" beschimpft, jemand meinte sogar, unter "Adolf" sei "so was" nicht vorgekommen, es wird hinter Frau Beck hergeschnüffelt, sie wird angezeigt, sie soll 500 Euro Strafe zahlen und noch einige hundert Euro dazu, weil sie Widerspruch eingelegt hat. Ihr wurde mit Pfändung gedroht, wenn sie nicht zahlt.

Und warum dies alles? Sie hatte den Auftrag - den ihr die Stadt zur Strafe nun wieder entzogen hat - an bestimmten
Stellen Tauben zu füttern. Nur, weil sie bettelnden Tauben auch anderswo Körnchen hinwarf, wird diese Hexenjagd gegen sie veranstaltet. Will sie verletzten Tauben helfen, muss sie sie im Übrigen füttern, weil sie sie sonst nicht fangen kann. Mir ist Frau Beck, wie vielen anderen auch, immer wieder aufgefallen als ein besonders freundlicher und hilfsbereiter Mensch. Sie arbeitet seit Jahren ehrenamtlich für die Stadt, entfernt zum Beispiel anderer Leute Hundekot und kümmert sich eben auch um die Tauben - aber nicht, um ihre Anzahl zu erhöhen, sondern um sie zu verringern: Diesem Ziel dienen auch die Nistplätze in ihrem Haus; denn damit beteiligt sie sich an dem Projekt, den Tauben die Eier wegzunehmen und durch Gipseier zu ersetzen. Durch das Projekt wurden bereits zirka 12 000 Eier ausgetauscht, durch Frau Beck allein mehr als 300.

Die Zahl der Tübinger Tauben nahm trotzdem nicht ab. Warum? Weil stets Nachschub kommt. Und woher kommt er? Die Tierärztliche Hochschule Hannover definiert: "Stadttauben sind entflogene Haus- oder Rassetauben und ausgebliebene Brieftauben sowie deren Nachkommen". Weil Stadttauben also keine Wildtiere sind, müssen sie gefüttert werden, brüten sie nicht nur einmal, sondern x-mal im Jahr und sinkt ihre Vermehrung nicht, wenn sie hungern - im Gegenteil: es ist wissenschaftlich erwiesen, dass hungernde Stadttauben mehr Eier ausbrüten als satte.

Das Taubenfütterverbot bewirkt also keine Verringerung der Taubenpopulation. Die kann man nur erreichen, wenn man sich mit der Herkunft der Stadttauben befasst und den Nachschub abschneidet. Dann nimmt die Zahl der Tauben auch ab, wenn ihre Eier gegen Gipseier ausgetauscht werden. Dazu braucht man Taubenhäuser und andere kontrollierbare Nistplätze, aber kein Fütterverbot!

Adelheid Schlott, Tübingen, Falkenweg 10

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Freitag, 6. Februar 2004
Rund ums Tübinger Schimpfeck
Tübinger Wochenblatt, Do 5. Februar 2004

Eine kommunalpolitische Blume verblüht. Die "Freie Liste" wirft das Handtuch und tritt nicht mehr an zu den Kommunalwahlen im Juni - weder für den Tübinger Rat noch für den Kreistag. Gegründet als Sammelbecken für ökologisch orientierte, im Wesen liberal gesinnter Bürger, denen die frühe AL zu ideologisch, zu links, vielleicht auch zu schmuddelig-revoluzzerhaft war und die etablierten Fraktionen zu verhockt und verbockt, hat sie drei Wahlperioden lang Rathaus- und Kreispolitik gemacht. So um die 12 Prozent lag ihr bestes Ergebnis. Ihr Gewicht lag höher. Und es hing an Namen mit Klang: Hugo Baumann, Ursula Zöllner, Dieter Rautenberg, Johanna Petersmann, Hans Dieter Eitle, Klaus Blanke, Peter Bosch, Ulrike Gottschalk. Die letzten beiden, als Aktive übrig geblieben, wollen oder können den Karren nun nicht mehr weiter ziehen.

Auszehrung und Verschleiß sind das Eine. Das angebliche "Ehrenamt" in den örtlichen Parlamenten fordert, ehrbar ausgefüllt, so viel Zeit und Kraft, dass es sich kein zurechnungsfähiger Mensch antun würde, der kühl in den geltenden Kategorien von Wirtschaftlichkeit denkt: Gewinn und Verlust, ökonomisch und persönlich ("Macht", Anerkennung, Status). Viel davon haben die Fraktionen schon fast notgedrungen an ihre "Arbeitsbienen" delegiert, die sich immer wieder fanden und allein dafür höchsten Respekt verdienen. [...] Ja, und auch ein Bialas, der einstens nicht als "kommunistischer Betonkopf", nicht als schlesischer Ost-Import in der Tübinger Erinnerung bleiben wird, sondern als Polit-Schaffe, wie er schwäbischer nicht sein könnte. Zu dieser Sorte gehört auch die nun resignierende FL-Vorfrau Ulrike Gottschalk.

Das Andere ist: Frustration, Kränkung, Demütigung. Und die haben einen Namen: Brigitte Russ-Scherer, Oberbürgermeisterin. Wie sie Räte und Rätinnen schurigelt, wie sie ihre Verwaltung einzuschüchtern versteht, wie sie ihr Zentralkommitee aus Getreuen und dessen Befugnisse aufbaut, wie sie allenthalben auf "Durchmarsch" spielt, das zermürbt auch die Gewählten. Wenn sich das schon die respektablen "Alten" nicht mehr länger ansehen wollen, werden sich kaum Neue finden. Tübingen sei, so sagt ein kommunalpolitisches Urgestein außer Dienst, zur "Hauptstadt des Mobbings" geworden. [...] Kein Zorn da, noch nirgends.

Aber selbst in hochrangigen Verwaltungs-Kreisen hört man unter der Hand Respekt für den Don Quichotte von der Linken, Anton Brenner: "Der hat wenigstens die Kuttel ... " Brenner hatte sein Damaskus-Erlebnis bei der BRS-Behandlung des manchmal etwas tollpatschigen (und längst ruhiggestellten) Eugen Höschele: Der CDU-Gegner wurde ihm zum Opfer. Seither wütet der katholisch-kommunistische Moralist gegen das "System BRS". Es geht die Mär, dass schon überfraktionell vereinbart wurde, den Sitzungssaal bei der nächsten inakzeptablen OB-Attacke auf Gewählte geschlossen zu verlassen. Bisher blieben aber die Pappenheimer immer noch sitzen. Die SPD-Fraktion, nebenbei, hat ihre Reputation verspielt. Sie ist zum fügsamen BRS-Verein verkommen und weiß sich darin gedeckt von der handzahmen lokalen Tagespresse. Die Quittung wird im Juni auf den Wahlzetteln stehen. Und die Genossen werden es auf Schröder schieben können. mab

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Donnerstag, 5. Februar 2004
Gemeinderatsprotokoll März 1995: Debatte über die TSG Halle
Riethmüller und Schöning waren damals 2,3 Millionen Euro zuviel, 9 Jahre später, bei noch schlechterer Haushaltslage, stimmen sie für eine Belastung des städtischen Haushalts in dreifacher Höhe


2. März 1995 * 22.



HHSt. 2.5500.987000 Förderung des Sports; Bauzuschüsse an Vereine

StR Goller erklärt sich für befangen und zieht sich vom Sitzungstisch zurück.

StRin Hahn stellt folgende Geschäftsordnungsanträge:
1. Es ist festzustellen, wer in diesem Gremium Mitglied der TSG Tübingen ist.
2. Anschließend werden die betreffenden Personen befragt, ob sie bei diesem Punkt befangen sind.
3. Bestreiten die betreffenden Personen befangen zu sein, dann entscheidet der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung nach * 18 Abs. 4 GemO über das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes.
Ihrer Ansicht nach haben alle TSG-Mitglieder ein unmittelbares Interesse am Zuschuß der Stadt zum Hallenbau. Der in * 18 GemO geforderte unmittelbare Vor- oder Nachteil sei auch bei einfachen TSG-Mitgliedern gegeben; diese seien somit im Gemeinderat befangen.

OBM Dr. Schmid erinnert daran, daß das Thema Befangenheit im Tübinger Gemeinderat immer wieder eine Rolle gespielt habe. Der Gemeinderat habe sich in der Vergangenheit, z.B. im Fall der Befangenheit von Landes-
bediensteten bei Vorhaben des Landes, gegen eine einengende Auslegung der Befangenheitsvorschriften gewehrt.

* 22.2. März 1995

Der Antrag von StRin Hahn würde bedeuten, daß zukünftig bei der Behandlung von Vereinsangelegenheiten jedes einfache Vereinsmitglied im Gemeinderat befangen wäre. Dies entspreche eindeutig nicht der Gemeindeordnung sowie der Kommentierung und Rechtsauffassung hierzu. Der unmittelbare Vor- oder Nachteil werde bei einfachen Vereinsmitgliedern nicht gesehen. Anders sehe es aus beim Vorstand oder Repräsentanten des Vereins; aus diesem Grund habe sich auch StR Goller für befangen erklärt.
Wenn der Gemeinderat der Rechtsauffassung von StRin Hahn folgen und einen entspechenden Beschluß fassen würde, dann wäre dieser Beschluß rechtswidrig und er müßte diesem Beschluß widersprechen. Dies würde dann zwangsläufig zu einer Vertagung führen.
Weil er jedoch genau wisse, daß ein solcher Beschluß rechtswidrig wäre, werde er über den Antrag von StRin Hahn nicht abstimmen lassen; ein solcher Antrag sei nicht zulässig.

StRin Hahn nimmt die Ausführungen von OBM Dr. Schmid zur Kenntnis. Sie werde sich überlegen, was sie in dieser Angelegenheit unternehmen wolle.

OBM Dr. Schmid ergänzt, daß er sich in dieser Frage bei der Aufsichtsbehörde abgesichert habe.

Zu dieser Haushaltsstelle liegen folgende Anträge vor:

SPD-, CDU- und UFW-Fraktion beantragen, den Ausgabeansatz bei dieser Haushaltsstelle um 2,5 Mio. DM zu erhöhen und eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 1,6 Mio. DM (fällig 1996) zu veranschlagen. Weiter bestehe noch aus dem Jahr 1993 ein Haushaltsrest in Höhe von 500 000 DM. Die genannten Beträge sollten der TSG als Zuschuß zum Hallenbau gewährt werden.
Der Ausgabeansatz in Höhe von 2,5 Mio. DM soll mit einem Sperrvermerk zur Freigabe durch den Verwaltungsausschuß versehen werden. Vor Aufhebung des Sperrvermerks müsse die TSG folgende Auflagen erfüllen:

1. Vorlage Gesamtinvestitionsplan (Gesamtkostenberechnung)
2. Vorlage Gesamtfinanzierungsplan und Nachweise
3. Nachweis der Finanzierung des Vereinsanteiles durch Bankbestätigung
4. Eintragung einer Grundschuld auf das Erbbaurecht zugunsten der Stadt
Tübingen in Höhe des Gesamtzuschußbetrages

2. März 1995 * 22.

5. Aufteilung der Folgekosten entsprechend der Nutzung der Halle (ange paßt an die Regelung bei der Tanzsporthalle im Loretto-Objekt)

Die AL-Fraktion beantragt, beim Ausgabeansatz der Verwaltung 20 000 DM zu streichen.

StRin Braungardt-Friedrichs zeigt sich froh darüber, daß heute das Projekt TSG-Halle zur endgültigen Entscheidung heranstehe. Allen sei klar, daß dieses Projekt heute beschlossen oder zu Grabe getragen werde. Sie geht kurz auf die öffentliche Diskussion der letzten Wochen ein und kritisiert insbesondere die Rolle des Schwäbischen Tagblatts dabei.
Seit Jahren sei man sich darüber einig, daß Tübingen eine weitere Sporthalle für Schul- und Breitensport brauche. Zwischen Kilchberg und Bühl sei eine einfache Sporthalle für 5,5 Mio. DM geplant gewesen. Beim Schulzentrum in der Weststadt sei beabsichtigt, eine Schulsporthalle für über
10 Mio. DM zu bauen; dieser Betrag sei derzeit überhaupt nicht darstellbar. In dieser Situation hätten Tübinger Vereine die Initiative ergriffen. Sie verweist auf den Hallenumbau durch die Tanzsportvereine in der Südstadt. Durch die Initiative der TSG komme die Stadt zu einer weiteren günstigen Möglichkeit, Schulsportkapazitäten zu schaffen. Hier biete sich ihrer Ansicht nach eine einmalige Gelegenheit. Sie macht weiter darauf aufmerksam, daß es der TSG gelungen sei, Zuschüsse in Höhe von ca. 3,4 Mio. DM für die Halle an Land zu ziehen, die nur an Vereine und nicht an die Stadt ausbezahlt werden.
Die SPD-Fraktion stelle sich der Sache wegen hinter dieses Projekt und nicht der Personen wegen. Es sei in ihrer Fraktion sorgfältig abgewogen und reiflich überlegt worden. Zwei Mitglieder der SPD-Fraktion seien bei der Abwägung zu einem anderen Entschluß gekommen und werden entsprechend abstimmen.
Es werde sehr wohl gesehen, daß die drei Projekte Hauptschule, Realschule und Hallenneubau die städt. Gelder in der Zukunft extrem binden werden und dem Gemeinderat kaum Spielraum für weitere Investitionen lasse. Der Gemeinderat werde sich in Zukunft nur noch auf Pflichtaufgaben konzentrieren können. Ihre Stimme bekomme die Halle bzw. den Zuschuß bestimmt nicht für den Spitzensport, sondern für die Schaffung von Hallenkapazität für den Schul- und Breitensport.
Mit dem Antrag der SPD-Fraktion zu den Grundstückserlösen sei deutlich gemacht worden, daß der Zuschuß für die Halle den städt. Haushalt nicht durch weitere Zinsen belasten solle.

* 22.2. März 1995

StR Pantel schließt sich für die CDU-Fraktion weitgehend der Argumentation von StRin Braungardt-Friedrichs an. Mit dem Zuschuß der Stadt werde in erster Linie der Schulsport, in zweiter Linie der Breitensport und erst in dritter Linie der Erwachsenen-/Leistungs- und Spitzensport unterstützt.
Er weist ebenfalls darauf hin, daß durch diesen Zuschuß nicht die Darlehensaufnahme des städt. Haushalts ausgeweitet und damit die Zinsbelastung erhöht werden soll. Entsprechende Anträge zu den Grundstückserlösen seien bereits gestellt worden. Noch in diesem Jahr müsse eine Umstrukturierung bei den Verkaufsmodalitäten vorgenommen werden.

StR R. Klink zeigt sich für die UFW-Fraktion froh darüber, daß sich eine Mehrheit für diesen Zuschuß abzeichne. Bedauerlich sei jedoch, wie die öffentliche Diskussion, insbesondere im Tagblatt, hierzu abgelaufen sei; eine solche Polarisierung sei nicht notwendig gewesen.
Er macht deutlich, daß durch den Bau dieser Halle andere Sporthallen in Tübingen entlastet und dort dann Kapazitäten frei werden. Tübingen erhalte endlich eine angemessene Halle, die sowohl den Ansprüchen von Schul-, Breiten- als auch Spitzensportlern genüge. Der Hallenbau durch die TSG sei ein lobenswertes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement in der Stadt.

OBM Dr. Schmid faßt zusammen, daß es beim Antrag von SPD-, CDU- und UFW-Fraktion um einen Zuschuß an die TSG in Höhe von insgesamt 4,6 Mio. DM gehe. Zu diesem beantragten Zuschuß nimmt er Stellung.
Unstreitig sei, daß
1. ein Übungsraumdefizit im Schul- und Vereinssport bestehe und diesem Defizit durch die Halle teilweise abgeholfen werden könnte,
2. Tübingen wahrscheinlich nie mehr zu so einer "billigen" Halle kommen
werde,
3. die TSG-Halle und ihre Finanzierung kein neues Modell für Tübingen
darstelle.
Trotz dieser für die Halle sprechenden Argumente habe er im Haushaltsentwurf der Verwaltung aus folgenden Gründen keine Beträge hierfür vorgesehen:
Der Haushaltsplanentwurf 1995 sei der problematischste, den er je habe vorlegen müssen. Eine ordentliche Schuldentilgung sei nicht möglich. Aus
2. März 1995 * 22.

dem Verwaltungshaushalt stehe kein Pfennig für Investitionen zur Verfügung. Investitionen müßten demnach über Schulden bzw. aus Grundstückserlösen finanziert werden. Mittelfristig wirkende Konsolidierungsbeschlüsse seien zwar gefällt, aber noch nicht umgesetzt worden. Diese Konsolidierungsbemühungen sollten nicht konterkariert werden durch das Aufsatteln eines Millionenprojekts auf den Haushalt.
Es gebe noch genügend andere städt. Defizite, so z.B. die vernachlässtigte Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen, den Umbau des Bürgerheims und Investitionen im Kindergartenbereich. Daneben sei noch in diesem Jahr mit einer Erhöhung der Kreisumlage zu rechnen. Weitere finanzielle Belastungen der Kommunen kommen hinzu.
Bei der Abwägung aller Argumente könne er, so schwer es ihm falle, dem Zuschuß zur TSG-Halle kaum zustimmen.
Unglücklicherweise sei der Hallenbeschluß hier und heute mit dem Haus-
haltsbeschluß verquickt. Seine Versuche im Vorfeld, diese Zuspitzung zu entschärfen, seien erfolglos geblieben. Aus vielerlei Gründen, etwa der Kläranlage, der Realschule oder auch der Zuschüsse im sozialen und kulturellen Bereich wegen, könne die Stadt die über 4 Monate andauernden Haushaltsplanberatungen nicht beliebig fortsetzen. Eine weitere Verzögerung des Haushaltsbeschlusses sei nicht vertretbar. Die Stadt brauche endlich einen Haushalt.
Er werde sich bei der Abstimmung zu diesem Punkt der Stimme enthalten.

StR Rautenberg führt für die FL-Fraktion aus, daß Oberbürgermeister
Dr. Schmid mit seinen soeben ausführlich dargelegten Argumenten im Grunde genommen das wiederhole, was die Fraktionen, die gegen die Halle seien, ebenfalls vorbringen. Er kritisiert, daß sich OBM Dr. Schmid mit seiner angekündigten Stimmenthaltung, wie schon so oft, aus der Verantwortung ziehe. Mit der Enthaltung wolle er keine Verantwortung dafür übernehmen, was jetzt vermutlich mit einer Stimme Mehrheit über Tübingen hereinbricht. Es stehe dem Oberbürgermeister schlecht an, sich so davonzustehlen.
Er macht weiter deutlich, daß die öffentliche Diskussion und Auseinandersetzung zum Wesen einer Demokratie gehöre. Er verurteilt deshalb die Art und Weise, wie in diesem Fall hinter verschlossenen Türen taktiert und gemauschelt worden sei. Auf der einen Seite soll hier mit allen Mitteln ein Sportpalast bezuschußt werden, während auf der anderen Seite z.B. der
* 22.2. März 1995

Familienpaß beschnitten werde. Weiter liege von der TSG bislang noch nichts Schriftliches vor. So vermisse er bsw. Nachweise über die zugesagten Zuschüsse durch Sportverbände sowie die daran geknüpften Bedingungen, Nachweise über die Eigenbeteiligung der TSG, ein schriftliches Angebot des Generalunternehmers, etc. Zusammengefaßt gebe es lediglich einige vage Absichtserklärungen, aber keine konkreten Zahlen und Grundlagen.
Äußerst fragwürdig sei die Finanzierung des Zuschusses durch erhöhte Grundstückserlöse.
Er ist der Ansicht, daß die Fraktionen, die diesen Zuschuß zur TSG-Halle beantragt haben und unterstützen, verantwortungslos gegenüber der Stadt und deren Finanzen handeln.

StRin Patzwahl stellt fest, daß es mittlerweile drei weitere Hallen gebe, die dem Sport zugute kämen: Hindenburghalle, Grundschulhalle Waldhäuser-Ost und die Halle der Tanzsportvereine im Loretto-Areal. Diese Hallen führen bereits zu einer Entlastung der übrigen Sporthallen. Wenn ausgesagt werde, daß in Tübingen nichts für den Sport getan werde, dann sei dies falsch. Ihrer Ansicht nach ist bsw. der Umbau des Bürgerheims ein weitaus drängenderes Problem als der Neubau einer Halle. Bei der Finanzierung der Halle macht sie darauf aufmerksam, daß die TSG anfangs angegeben habe, mit einem städt. Zuschuß in Höhe von 2,7 Mio. DM auszukommen. Jetzt sei man bereits bei einem Zuschuß in Höhe von
4,6 Mio. DM angelangt. Zu dieser Kostensteigerung werde allerdings nicht der Mund aufgemacht. Zu kurz kämen bei der ganzen Diskussion auch die Folgekosten. Weiter sei noch nicht klar, welche Bedingungen die zuschuß-
gewährenden Sportverbände mit ihren Zuschüssen verbinden.
Sie betont abschließend, daß die AL-Fraktion sicher nicht sportfeindlich sei, aber es gebe in dieser Stadt weitere Aufgaben, die auch erfüllt sein wollten und zurecht eingefordert werden. In so einer Situation könne man nicht so einfach 5 Mio. DM als Zuschuß ausgeben. Für sie passe nicht zusammen, daß auf der einen Seite die Bürgerschaft mit Standardsenkungen konfrontiert und auf der anderen Seite so viel Geld für einen Zuschuß ausgegeben werde.

StR Riethmüller erklärt für die WUT-Fraktion, daß in dieser Angelegenheit nüchtern abgewogen werden müsse. Auf der einen Seite hätte die
2. März 1995 * 22.

Stadt gerne eine solche Halle. Auf der anderen Seite müsse die katastrophale Finanzsituation der Stadt gesehen werden. Seine Fraktion werde es sich bei der Abstimmung nicht so einfach machen wie der Oberbürgermeister. Auf jeden Fall verschlechtere die Halle die Möglichkeit, eine neue Realschule doch noch zu finanzieren. Aus diesem Grund werde die WUT-Fraktion gegen den Hallenneubau bzw. den Zuschuß hierfür stimmen.

StR Schöning bemerkt für die FDP-Fraktion, daß die Beratungen zum Konsolidierungspapier und zum Verwaltungshaushalt recht bescheidene Erfolge gebracht hätten. Die Stadt müsse den Großteil der im Haushaltsplan 1995 vorgesehenen Tilgungungen mit Erlösen aus der Veräußerung städt. Vermögens decken. Dies bedeute, daß die Stadt von ihrer Substanz lebe. Die Nettoinvestitionsrate sei negativ. Dies sei die finanzpolitische Realität in der sich die Stadt befinde. In dieser Situation soll nun die TSG-Halle mit ihren Folgekosten auf den Haushalt draufgesattelt werden. Die Antragsteller haben sich seiner Ansicht nach mit diesem Antrag von der haushalts
politischen Realität verabschiedet.
Der Oberbürgermeister trage mit seiner Stimmenthaltung de facto diesen Antrag mit; er könne sich später hiervon nicht distanzieren.

StR Bialas lehnt den Zuschuß zur TSG-Halle ab. Er gibt zu bedenken, daß die Sanierung der Uhlandhalle heranstehe, der städt. Wohnungsbesitz vergammle und sich die Kreisumlage erhöhen werde. Der Bau dieser TSG-Halle würde andere, sehr wichtige Bauvorhaben, vor allem im Sozial- und Schulbereich, blockieren.

StR Kern stellt den Geschäftsordnungsantrag auf Schluß der Debatte.

Dieser Geschäftsordnungantrag wird mit 28 Ja-Stimmen beschlossen.

StR Schöning stellt den Geschäftsordnungsantrag auf namentliche Abstimmung.

StRin Patzwahl erklärt, daß die AL-Fraktion diesen Geschäftsordnungsantrag unterstütze.

StR Schreiber betont, daß jedem im Saal klar sei, wer für oder gegen den Zuschuß an die TSG sei. Er spreche sich gegen diese Kinderei aus.

* 22.2. März 1995

Der Geschäftsordnungsantrag auf namentliche Abstimmung wird mehrheitlich abgelehnt.

StRin Patzwahl zieht für die AL-Fraktion den Antrag auf Kürzung dieser Haushaltsstelle um 20 000 DM zurück.

OBM Dr. Schmid stellt fest, daß damit folgender SPD-, CDU- und UFW-Antrag zur Abstimmung stehe:
"Der Haushaltsansatz bei der HHSt. 2.5500.987000 wird um 2,5 Mio. DM erhöht. Zudem wird eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 1,6 Mio. DM (fällig 1996) veranschlagt. Diese Mittel sowie der Haushaltsrest aus dem Jahr 1993 in Höhe von 500 000 DM gehen als Zuschuß an die TSG.
Dieser Zuschuß wird mit einem Sperrvermerk zur Beschlußfassung im Verwaltungsausschuß versehen.
Vor Aufhebung des Sperrvermerks sind von der TSG folgende Auflagen zu erfüllen:
1. Vorlage Gesamtinvestitionsplan (Gesamtkostenberechnung)
2. Vorlage Gesamtfinanzierungsplan und Nachweise
3. Nachweis der Finanzierung des Vereinsanteiles durch Bankbestätigung
4. Eintragung einer Grundschuld auf das Erbbaurecht zugunsten der Stadt
Tübingen in Höhe des Gesamtzuschußbetrages
5. Aufteilung der Folgekosten entspechend der Nutzung der Halle (ange-
paßt an Regelung bei Tanzsporthalle im Loretto-Objekt)."

Die StRe Bialas und Rautenberg stellen den Änderungsantrag, über die Aufhebung des Sperrvermerks im Gemeinderat und nicht im Verwaltungsausschuß zu entscheiden.

OBM Dr. Schmid kommt zur Abstimmung:

Der Änderungsantrag der StRe Bialas und Rautenberg wird mit 25 Ja- und 27 Nein-Stimmen abgelehnt.

Der Antrag von SPD-, CDU- und UFW-Fraktion wird mit 28 Ja-, 27 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung beschlossen.

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