Mittwoch, 21. Januar 2004
Weil es irgendwie weiter gehen muss
Schwäbisches Tagblatt, Mi 21. Januar 2004

Wohl noch nie gab es im Tübinger Rat so wenig Pro und so viel Contra zum Etat-Beschluss

TÜBINGEN. Ein guter Kompromiss, so heißt es, zeichnet sich dadurch aus, dass er den Streitparteien gleichermaßen wehtut. Andererseits gehört aber auch dazu, und das galt bisher für alle Tübinger Etat-Beschlüsse, dass sich die Beteiligten dafür rühmen dürfen, dem ausgehandelten Ergebnis in wesentlichen Punkten den eigenen Stempel aufgedrückt zu haben. Insofern erlebten die wenigen Gäste, die am Montag zum Etat-Finale ins Tübinger Rathaus gekommen waren, ein Novum: Die meisten Stadträte waren zwar froh, dass überhaupt ein Haushalt zustande kam, aber keiner zeigte sich mit dem neuen Zahlenwerk auch nur halbwegs zufrieden.

Einer der zentralen "Knackpunkte", die in der Etat-Runde 2004 die Bildung einer breiteren Haushalts-Mehrheit verhindert haben: Zum Verdruss von CDU, UFW, FL und TÜL/PDS soll das ehemalige Firmenareal von Wurster & Dietz in Derendingen mit zwei Millionen Euro aus der Stadtkasse entwickelt werden. Archivbild: Grohe

Der allgemeine Frust lässt sich leicht erklären: Geben ist seeliger denn nehmen, doch angesichts drastischer Steuerausfälle und eines strukturellen Haushaltsdefizits von über vier Millionen Euro musste der Rat diesmal mehr nehmen, als er geben konnte. Das Knausern machte den Fraktionen, wie vielfach zu hören war, "keinen Spaß mehr". Schon gar nicht im Vorfeld eines Wahlkampfes, in dem man vor den geschröpften Bürger treten muss. Um allzu deftigen Wähler-Watschen vorzubeugen, war es denn auch allen Gruppierungen, egal ob Ja- oder Neinsager, wichtig, sich mehr oder minder weit vom Etat 2004 zu distanzieren. Die meistgehörte Formel des Abends: "Das ist nicht unser Haushalt".

Am meisten Grund zu dieser Feststellung hatte die TÜL/PDS-Fraktion. Sie hätte gern in alter Manier das Füllhorn über die Sozialschwachen ausgeschüttet und das dafür nötige Geld bei den angeblichen "Prestigeprojekten der Oberbürgermeisterin" (Technologiepark, Wirtschaftsförderung, Sporthalle) abgezogen. Dass sich die Etat-Koalitionäre stattdessen auf weitere Zuschuss-Kürzungen verständigten, fand Gerlinde Strasdeit "das Allerletzte", weswegen es für das TÜL/PDS-Trio nur konsequent war, den Haushalt empört abzulehnen.

Von der CDU war nichts anderes zu erwarten. Deren Doppelspitze Ulrich Latus und Dieter Pantel hatte schon vor Monaten klargestellt, dass sie bei einer Erhöhung der Grundsteuer nicht mitspielen würden. Ersatzweise wollte die größte Ratsfraktion die Löcher mit weitergehenden Einsparungen (zumal im Kulturbereich) und mit umfangreichen Verkäufen aus dem städtischen Grundbesitz stopfen.
Zudem forderte die CDU die zwei Millionen Euro, die der Wirtschaftsförderungs-GmbH (WIT) zur Belebung von Gewerbebrachen überwiesen wurden, für die Stadtkasse zurück. Nicht zuletzt, weil sie auch diesmal den heftig kritisierten "Einstieg in spekulative Grundstücksgeschäfte" nicht stoppen konnten, fanden die Christdemokraten den Etat-Kompromiss rundum "enttäuschend".

Überraschend machte erstmals auch die Freie Liste die WIT-Millionen zu ihrem "Knackpunkt". Einst eine entschiedene Befürworterin dieser Art der Stadtentwicklung, hält es die FL inzwischen für "utopisch", dass damit etwas zu erreichen sei. Sie hätte die zwei Millionen gern abgegriffen, um die Kürzungen im Sozialbereich zu vermeiden, und aus gleichem Grund auch die Grundsteuer nicht nur um zehn, sondern um zwanzig Prozent erhöht. Weil sie beides nicht bekam, zog sich die FL verärgert zurück. "Das Fass zum Überlaufen" brachte laut Joachim Gellert letztlich aber ein eher symbolischer Betrag: "Wenn überall gestrichen wird, kann man nicht mit 15000 Euro ein neues Projekt, den Theatersommer, hochziehen."

Die UFW stand die ganze Etat-Runde über ziemlich eng an der Seite der CDU, mit der sie konsequent gegen die Grundsteuer-Erhöhung und für die Heimholung des WIT-Kapitals stritt. Am Ende fand Fraktionschef Kurt Friesch kaum einen vernünftigen Grund, das ungeliebte Kompromiss-Paket per Stimmenthaltung passieren zu lassen - außer diesem: "Wenn wir den Etat blockieren, schaden wir den Handwerkern, die auf die Aufträge der Stadt angewiesen sind."
Ähnlich argumentierte WUT-Chef Hermann-Arndt Riethmüller, der in manchen Punkten mit CDU und UFW einig war und überdies noch wesentlich größere Einsparungen (vor allem bei der Kinderbetreuung) gefordert hatte. Da er als Verfechter einer aktiven Grundstückspolitik ("Die WIT-Millionen sind eine dringend nötige Investition in die Zukunft") jedoch keine Chance sah, mit CDU und UFW eine eigene Mehrheit zu bekommen, hielt er mit vier seiner Fraktionskollegen bei der Abstimmung still.

Die restlichen drei Fraktionen, die es mit OB Brigitte Russ-Scherer schließlich auf 21 Ja-Stimmen brachten, einte vor allem die Ablehnung der "Knackpunkte" der Mehrheit, die selber nicht zusammenfand. Weitere Kürzungen bei den laufenden Ausgaben kamen für Helga Vogel von der AL nicht in Frage, weil die Verwaltung kaum noch mehr als die von ihr angebotene "globale Minderausgabe" (1,4 Millionen Euro) einsparen könne.

Ebenso entschlossen wies FDP-Rat Dietmar Schöning den verstärkten Einsatz von städtischem Grundvermögen als unverantwortlichen Ausverkauf zurück. Dann schon lieber eine maßvolle Erhöhung der Grundsteuer. Um der Stadt "viele Grausamkeiten im sozialen Bereich" zu ersparen, hätte die SPD laut Erika Braungardt-Friedrichs die Grundsteuer gern noch höher geschraubt. Weil dazu aber außer der FL niemand bereit war, bissen die Sozis nolens-volens in den sauren Kompromiss-Apfel.

Fazit: Keine Fraktion bekam einen Etat, mit dem sie im Wahlkampf groß hausieren gehen wird. Wer ihn beschloss oder zumindest nicht blockierte, entschied sich für das rundum als ziemlich groß empfundene kleinere Übel. Auch die Oberbürgermeisterin: "Es ist nicht der Haushalt der Verwaltung. Wir müssen viel schlucken, aber wir nehmen das hin, weil es doch irgendwie in Tübingen weiter gehen muss." Sepp Wais

Wie teuer wird die Grundsteuer?

Die beschlossene Grundsteuer-Erhöhung bringt der Stadt jährliche Mehreinnahmen von etwa einer Million Euro. Wer wissen will, wie viel er dafür berappen muss, kann sich das leicht ausrechnen: 9,75 Prozent mehr als letztes Jahr. Bei den meisten (in aller Regel unterbewerteten) Altbau-Wohnungen macht der Aufschlag höchstens 15 Euro aus. Bei neueren Wohnungen reicht das Plus - je nach Größe - von 10 und 80 Euro, bei den nobelsten Einfamilienhäusern bis zu 300 Euro. Härter trifft es einige Betriebe, die mitunter 10 000 oder 20 000 Euro Grundsteuer bezahlen müssen. Vom größten Tübinger Grundsteuer-Zahler kassierte die Stadt bisher 44 000 Euro und künftig etwa 48 300 Euro pro Jahr.

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Dienstag, 20. Januar 2004
Übrigens ... Erfolg ohne Väter
Schwäbisches Tagblatt, Di 21. Januar 2004

Wenn der Erfolg viele Mütter und Väter hat, dann ist der gestern Abend beschlossene Tübinger Haushalt für das Jahr 2004 ein glatter Misserfolg. Denn niemand, keine Fraktion und nicht einmal die Stadtverwaltung, wollte sich zu ihm bekennen - obgleich er doch soeben mit Mehrheit erfolgreich verabschiedet wurde.

Einem Findelkind gleich kam also der Etat über den Rat und bot auch sonst wiederholt Anlass für märchenhafte Formulierungen. Die Kompromiss-Bemühungen des FDP-Stadtrats Dietmar Schöning durchaus angemessen würdigend, sprach etwa der CDU-Fraktionsvorsitzende Ulrich Latus das Werk "Russ-Schöning" zu. Worauf sich der Liberale schlagfertig revanchierte: Der Herr "Pi-Latus" dürfe ruhig seine Hände in Unschuld waschen, das gräme ihn gar nicht.

Im Ernst ist die nun im zweiten Anlauf zustande gekommene Einigung nichts anderes als ein dürrer Kompromiss, das kleinere Übel. Aufbruch(stimmung) stand nicht zu erwarten. Abbruch (der Verhandlungen) war die schlechtere Alternative. Dieser Enthaltungs-Einsicht beugten sich letztlich hinreichend viele Fraktionsmitglieder von WUT und UFW. Damit schwächten sie das in erster Linie von CDU, FL und TÜL/PDS gebildete Lager der Ablehner und ließen auf diese Weise das Budget passieren.

Mehr noch als die vorweihnachtliche Beratung war die gestrige Etat-Debatte von wahltaktischen Überlegungen geprägt. Die Mehrheit von AL, SPD und FDP hielt es im Hinblick auf die Gemeinderatswahl am 13. Juni für angeraten, die allgemeine Finanzmisere lokal einzudämmen.

Auf der anderen Seite des Hauses mochten die Tübinger Christdemokraten - anders als ihre Parteifreunde im Berliner Vermittlungsausschuss - dafür keine (Mit-)Verantwortung übernehmen. Ähnlich der TÜL/PDS werden sie im Frühsommer als Rathaus-Opposition vor die Wähler treten und nicht müde werden zu betonen, dass es die Anderen waren, die mit aller Gewalt an der Grundsteuer drehten.

Um knappe zehn Prozent erhöhte der Rat diese, Hausbesitzer und indirekt auch Mieter treffende Abgabe. Als Schreckgespenst wird sie freilich nur dem erscheinen, der nicht nachrechnet: Die Kosten der Gesundheitsreform, allen voran die vierteljährlich zu entrichtende Praxisgebühr, treffen die Kassenpatienten härter.

Unterm Strich sind es nicht höhere Abgaben, sondern die zahlreichen Abstriche bei den städtischen Leistungen und Zuschüssen, die den Haushaltsplan 2004 charakterisieren. Dass dies alles andere als eine angemessene Entlohnung für das Engagement aktiver Bürger darstellt, ja den Durchhaltewillen von Selbsthilfegruppen schwächen kann, ist das größere Risiko.

Eckhard Ströbel

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21 Stimmen reichten zur Mehrheit
Schwäbisches Tagblatt, Di 20. Januar 2004

Von Sepp Wais

WUT und UFW ließen gestern Abend den Etat-Kompromiss von AL, SPD und FDP passieren

TÜBINGEN. Auch beim zweiten Anlauf zum Etat-Beschluss gab es im Tübinger Rathaus zwar noch allerhand Grundsätzliches zu erklären, dank intensiver Vorgespräche in informeller Runde aber nicht mehr viel zu verhandeln: Nach knapp zweistündiger Debatte war der Haushalt 2004 gestern Abend beschlossene Sache. Wie verabredet, ließen WUT und UFW das von AL, SPD und FDP geschnürte und zuletzt noch etwas nachgebesserte Kompromiss-Paket per Stimmenthaltung passieren. CDU, FL, TÜL/PDS und UFW-Rat Georg Kern blieben kategorisch bei ihrem Nein (siehe auch das ÜBRIGENS).

Das mühsamer denn je ausgehandelte Zahlenwerk umfasst Ausgaben und Einnahmen in Höhe von 150 Millionen Euro. Kaum zehn Millionen davon entfallen auf den Vermögensetat, über 140 Millionen braucht die Stadt für den laufenden Betrieb (Verwaltungsetat). Obwohl der Rat den Entwurf des Kämmerers in diesem Bereich an vielen Stellen (insbesondere mit weiteren Ausgabenkürzungen und kosmetischen Korrekturen) abgeändert hat, gelang es ihm nicht, alle Löcher zu stopfen: Unter dem Strich blieb im Verwaltungsetat ein Minus von 1,4 Millionen Euro stehen.

Dieses absehbare Defizit wird mit einer entsprechenden Zuführung aus dem Vermögenshaushalt ausgeglichen. Damit rutscht die Stadt dort tiefer in die roten Zahlen. Zwar werden heuer einmal mehr die letzten freien Rücklagen (400000 Euro) und das städtische Grundvermögen (2,2 Millionen Euro) angezapft, trotzdem muss der Kämmerer zusätzliche Schulden in Höhe von 1,7 Millionen Euro machen, um alle Ausgaben finanzieren zu können.

Kernstück des Kompromisses, zu dem sich AL, SPD und FDP bereits im Dezember zusammengefunden hatten, den WUT und UFW aber erst jetzt hinzunehmen bereit waren, ist die heiß umkämpfte Erhöhung des Grundsteuer-Hebesatzes von 410 auf 450 Punkte. Diese knapp zehnprozentige Steigerung bringt der Stadtkasse Mehreinnahmen von rund einer Million Euro. Des weiteren müssen die Tübinger mit einer deftigen (im Einzelfall bis zu 60-prozentigen) Erhöhung der Bestattungsgebühren rechnen, die im Detail aber erst noch festgelegt werden muss - und mit einem 20-prozentigen Aufschlag bei der Hundesteuer, der bereits im Vorjahr für 2004 beschlossen wurde.

Mindestens ebenso schmerzhaft werden viele Bürger die Kürzungen im sozialen, kulturellen und Sportbereich zu spüren bekommen. Hier werden die städtischen Zuschüsse um fünf Prozent reduziert, wobei noch nicht ausgemacht ist, wie viel die einzelnen Vereine und Einrichtungen bluten müssen. Neu hinzu kam gestern Abend eine fünfprozentige Kürzung der Schul-Budgets für Sach- und Lernmittel (minus 57000 Euro).

Weil derzeit nicht damit zu rechnen ist, dass die Stadt nächstes Jahr ihre Finanzkrise überstanden haben wird, kündigten die Etat-Koalitionäre gestern schon mal vorsorglich an, dass in 2005 die Zuschuss-Töpfe noch einmal um fünf Prozent geschröpft werden sollen. Ansonsten blieb es beim letzten Feinschliff der Haushaltskoalition bei den bereits am Freitag vermeldeten Nachbesserungen: Um es WUT und UFW leichter zu machen, von ihrem strikten Nein abzurücken, wurden an verschiedenen Etat-Ansätzen noch einmal fast 190000 Euro abgezwackt, die dann größtenteils (bislang unspezifisch) für die Förderung der Altstadt reserviert wurden.

Wenn es gestern im Rathaus überhaupt so etwas wie Zufriedenheit gab, dann nur darüber, dass die Hängepartie endlich zum Abschluss gebracht wurde. Selbst AL, SPD und FDP, die den Kompromiss eingefädelt und schließlich mit 21 Ja-Stimmen (inklusive OB und WUT-Rätin Inge Tressel) durchgebracht hatten, legten Wert auf die Feststellung, dass dies durchaus nicht ihr Wunschhaushalt sei. UFW und WUT ließen keinen Zweifel daran, dass sie nur deshalb stillhielten, damit die Stadtverwaltung handlungsfähig bleibe. Die 15 Neinsager von CDU, FL und TÜL/PDS (plus UFW-Rat Kern) wollten lieber gar keinen als den beschlossenen Etat.

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Samstag, 17. Januar 2004
Schieflage - Bialas-Antrag zum Südstadt-Kino
Schwäbisches Tagblatt, Sa 17. Januar 2004

Wann ist ein Fraktionsantrag so schief und wackelig wie der Turm in Pisa und was zeichnet einen geradlinigen Antrag aus? Über diese Frage stritten sich Gerhard Bialas (TÜL/PDS) und Hermann-Arndt Riethmüller (WUT) am Donnerstag im Südstadtausschuss. Auslöser war der erneute Vorstoß von Bialas für ein Kino in der Südstadt.

Der Gemeinderat hatte bekanntlich dem Südstadtausschuss die Entscheidung aus der Hand genommen und Ende September gegen ein eigenes Kino in der Südstadt gestimmt. Carsten Schuffert, Chef der "Bewegten Bilder", wollte ein kleines Kinocenter an der nordwestlichen Ecke des Französischen Viertels realisieren. Für Bialas aber und viele Südstädter, die auch mit einer Unterschriftensammlung gegen den Ratsbeschluss protestierten, geht es um die "kulturelle Infrastruktur" und "Eigendynamik" eines Stadtteils, in dem bei der Vergabe von Kaufoptionen "nichts verschlafen" werden dürfe.

Über seinen Antrag, die Verwaltung solle "geeignete Grundstücke" im Französischen Viertel für ein Kino vorschlagen, wollte die Baubürgermeisterin Ulla Schreiber allerdings im Südstadtausschuss nicht abstimmen lassen, weil er nicht dem für die Südstadt geltenden Optionsverfahren
entspreche.

"Ihr Antrag ist schief!", kritisierte Riethmüller, und Bialas konterte: "Aber nicht schlecht". Der anschließende verbale Schlagabtausch brachte in der Sache nichts, sorgte nur für gereizte Stimmung unter den sichtlich genervten Ausschussmitgliedern. Riethmüller, Erika Braungardt-
Friedrichs (SPD) und Jürgen Steinhilber (UFW) rieten davon ab, das Südstadt-Kino-Fass wieder anzustechen. Das könne nur im Kontext der geplanten Altstadt-Debatte im Februar geschehen. "Sie können doch die Südstadt nicht immer an die Altstadt anhängen, das ist doch ein eigener Stadtbezirk!", ärgerte sich Bialas.

Auf eine "Kampfabstimmung" verzichtete der Stadtrat schließlich doch. Ein mögliches Südstadtkino "muss in der öffentlichen Diskussion bleiben!", forderte er. Und so mutierte sein Antrag zum "Arbeitspapier". Das war das Ende vom Antrag, der keiner war. Der nächste Fassanstich aber kommt bestimmt. Wenn es neue Kinobewerber gibt, können wir Sie informieren", versuchte die Baubürgermeisterin die Debatte auf eine sachliche Ebene zu hieven.

Christiane Hoyer

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Drive-In für McDonalds
Schwäbisches Tagblatt, Sa 17. Januar 2004

Imbiss-Kette darf an der Reutlinger Straße bauen - mit weniger Werbefläche

TÜBINGEN (hoy). McDonalds möchte an der Reutlinger Straße eine neue Filiale eröffnen. Das Baugesuch der Imbiss-Kette "ist rechtlich zulässig", teilte Werner Hermann, Leiter des Baurechtsamtes, in der öffentlichen Sitzung des Südstadtausschusses am Donnerstag mit.

Im Vorfeld hatte es Bedenken gegen das Bauvorhaben von McDonalds gegeben. Der Investor möchte auf dem Schweikhardt-Areal an der Reutlinger Straße stadteinwärts im Anschluss an die Niederlassung der Firma Autoteile Unger (ATU) ein Drive-In Restaurant bauen. Die Zu- und Abfahrt soll über die Reutlinger Straße abgewickelt werden.

Die Befürchtung, dass mit der zweiten McDonalds-Niederlassung in Tübingen neben der am Lustnauer Tor noch mehr Verkehr in die Reutlinger Straße fließt, ändere nichts daran, dass in dem ausgewiesenen Mischgebiet ein weiterer Gaststättenbetrieb "zulässig ist", so Hermann. Das habe jetzt ein Rechtsgutachten bestätigt.

Auflagen bekommt Mc Donalds aber bei der Gestaltung der Werbefläche. Wo ursprünglich eine 25 Meter hohe Lichtsäule mit dem Firmenlogo "M" den Konsumenten den Weg weisen sollte, darf jetzt nur noch ein Mast von sechs Metern stehen. "Wenn man das einmal zulässt, hat man das immer am Hals - wir haben bereits das nächste Bauvorhaben mit einer 25 Meter hohen Werbefläche", berichtete die Baubürgermeisterin Ulla Schreiber.

"Natürlich ist es wichtig, dass unsere Gäste leicht zu uns finden", kommentierte der Firmensprecher Frank Bleker die Auflagen der Baubehörde. Doch McDonalds sei an einer Lösung interessiert, "die allen Seiten Rechnung trägt". Die Firma halte auf jeden Fall an dem "sehr interessanten Standort" auf dem Schweickhardt-Gelände fest. Der Bauplatz auf dem ehemaligen Gärtnerei-Areal am Hagellocher Weg, so Bleker, sei nicht mehr im Gespräch. Wann Baubeginn ist, konnte der McDonalds-Sprecher noch nicht sagen - auf jeden Fall "möglichst schnell".

Über kritisch-ironische Nachfragen von Ulrike Gottschalk (FL) und Gerhard Bialas (TÜL/PDS), ob die Imbisskette am Lustnauer Tor aufgegeben werde, entrüstete sich Georg Kern (UFW): "Für McDonalds gibt es einen echten Bedarf, sind Sie doch nicht so kleinlich und spießbürgerlich!"

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Mittwoch, 14. Januar 2004
Attacke gegen OB
Schwäbisches Tagblatt, Di 13. Januar 2004

TÜL/PDS fordert Untersuchungsausschuss

TÜBINGEN (sep). In einem offenen Brief an alle Rathaus-Fraktionen forderte die TÜL/PDS gestern einen "Untersuchungsausschuss über den in der Ära Russ-Scherer bisher entstandenen finanziellen Schaden für die Stadt" und rief damit prompt die Oberbürgermeisterin mit einer eigenen Erklärung auf den Plan.

"Angesichts der dramatischen Entwicklung der finanziellen Folgen einiger Fehlentscheidungen", so schrieb Anton Brenner (TÜL/PDS) an seine Ratskollegen, möge jede Fraktion einen Vertreter für den Untersuchungsausschuss benennen. Sollten nicht alle mitmachen, "könnten auch die Fraktionen, denen das Ausmaß der finanziellen Schäden jetzt zu weit geht, mit der Arbeit beginnen".

Insbesondere will Brenner von dem Ausschuss die Finanzierung des Technologieparks, der Großsporthalle, der Südstadt-Parkhäuser, der Verwaltungsreform und des Leitbild-Prozesses überprüfen lassen. Allein bei diesen fünf Projekten, so behauptet er, sei der Unistadt ein "finanzieller Schaden" von mehr als 25 Millionen Euro entstanden. Dies müsse schnell untersucht werden, ehe von der Oberbürgermeisterin noch mehr Geld "vergeudet" werden könne.

Die Anwürfe der TÜL/PDS sind nicht neu - neu ist allerdings, dass die Rathaus-Chefin gestern spontan mit einer schriftlichen Erklärung auf Brenners offenen Brief reagiert hat. Darin legt Brigitte Russ-Scherer zunächst einmal Wert auf die Feststellung, dass die "dramatische Entwicklung" der Tübinger Finanzen nicht etwa auf Fehler der Kommunalpolitik, sondern vor allem auf das "massive Wegbrechen der Einnahmen" zurückzuführen sei.

Im Übrigen verweist die Oberbürgermeisterin in ihrer Erwiderung auf die einzelnen Vorwürfe mehrfach darauf, dass die genannten Projekte vom Gemeinderat beschlossen und von der Stadtverwaltung korrekt umgesetzt worden seien. Dass die "globale konjunkturelle Lage" für die Biotechnologie "derzeit schwierig" ist, räumt sie durchaus ein, trotzdem sieht sie im Technologie-Park nach wie vor ein "geeignetes Instrument" zur Förderung von Arbeitsplätzen und zur längerfristigen Konsolidierung der städtischen Finanzen.

So "bedauerlich" die Probleme mit den Parkhäusern in der Südstadt für Russ-Scherer auch sind, sie ist zuversichtlich, dass die Stadtwerke mit den "Anlaufschwierigkeiten" fertig werden. Für "entstandene Schäden" müssten "selbstverständlich die am Bau beteiligten Firmen haften". Die verschiedenen Schritte zur Verwaltungsreform verteidigt die Oberbürgermeisterin als "weiteren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung". Und Brenners Kritik am Leitbild-Prozess ("heilloses Chaos") ist für sie nichts anderes als eine Missachtung des "großartigen Engagements" vieler Bürger.

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Mittwoch, 7. Januar 2004
Silvester-Umfrage 2003: Vorsicht, wenn jemand das Jammern verunglimpft
Schwäbisches Tagblatt, Mi 31. Dezember 2003

Ich jammere am liebsten, wenn es mir gut geht. Vielleicht auf Vorrat. Worüber ist egal. Wenn in der Politik und am Aktienmarkt das Gejammere und Gezeter am größten ist, hat der Aufschwung bereits begonnen. Auf den Jammer-Indikator ist Verlass. Von Berlin bis Tübingen nutzen alle die letzte Chance, Verschlechterungen und Sozialabbau durchzusetzen. Solange es abwärts ging, beherrschten Durchhalteparolen und Zweckoptimismus die Debatte. Vorsicht, wenn jemand das Jammern verunglimpft und das "Positiv-Denken" als Betäubungsgetränk anbietet! Als Vertreter des Tübinger Weinbaus empfehle ich, für das Leben vor dem Tode Jesajas Vision der Apokalypse zu bedenken: "Der Wein ist dahin, die Rebe verwelkt . . . Man trinkt keinen Wein mehr bei frohem Gesang . . . Auf den Gassen jammern die Leute: Es gibt keinen Wein mehr! Jede Freude ist verschwunden . . ." (Jes.24, 7-11). Das Bejammernswerte am hervorragenden neuen Jahrgang des Tübinger "Chardonnay du Gog" und der "Roten Kapelle" ist der geringe Ertrag wegen des zu trockenen Sommers. Oh jerum, wenn das so weitergeht!

Anton Brenner, Stadtrat der Tübinger Linken,
Religionslehrer und Hobby-Wengerter, Tübingen

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Samstag, 20. Dezember 2003
Neuer Etat-Anlauf im Januar
Schwäbisches Tagblatt, Sa 20.12.2003

TÜBINGEN (ec). OB Brigitte Russ-Scherer will Mitte Januar den Fraktionschefs eine Sondersitzung des Gemeinderats noch im selben Monat vorschlagen. "Während der Weihnachtsferien werde ich Lösungen sondieren und mit den Fraktionen sprechen, die dem gescheiterten Etat-Kompromiss am nächsten waren", kündigte die OB an.

"Ich weiß nicht, wie wir das hinkriegen sollen", erklärte dazu Ulrike Gottschalk (FL). Der Kommentar von Dieter Pantel (CDU): "Wir haben unseren Spielraum genutzt. Jetzt sind die anderen dran." Laut Erika Braungardt-Friedrichs hat die SPD "noch keine eigene Position gefunden, die sich bewegen lässt".
Das Gleiche gilt derzeit für die AL (Helga Vogel: "Mal sehen, was die anderen ausbrüten") und für die UFW, deren Sprecher Kurt Friesch gestern meinte, seine Fraktion sei "schon weit genug gegangen". Schließlich noch Hermann-Arndt Riethmüller (WUT): "Wir machen nur bei strukturverbessernden Lösungen mit."

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Breite Mehrheiten gab es in der Tübinger Etat-Debatte bisher nur bei der Blockade von Kompromissen
Schwäbisches Tagblatt, Sa 20.12.2003

An den Knackpunkten zerbrochen

TÜBINGEN. Fünf Stunden lang rangen die Tübinger Ratsfraktionen am Donnerstag in diversen Formationen um den finalen Haushalts-Kompromiss. Ohne Erfolg: Am Ende wurden die jeweiligen Frontlinien noch härter verteidigt als zuvor. Da nützte auch der Appell von OB Brigitte Russ-Scherer nichts mehr, man möge doch daran denken, dass die Stadtverwaltung handlungsfähig bleiben müsse. Die Mehrheit von CDU, UFW, WUT, FL und TÜL/PDS, die sich selber auf nichts Konstruktives einigen konnte, war nicht bereit, das Kompromiss-Paket von AL, SPD und FDP per Stimmenthaltung hinzunehmen (siehe auch das ÜBRIGENS und "Neuer Etat-Anlauf im Januar").

Die Ausgangslage für die Endrunde im Poker um den Etat 2004 war schwieriger als je zuvor. "Angesichts der katastrophalen Finanznot der Kommunen," meinte dazu FDP-Rat Dietmar Schöning, "sind wir in Tübingen mit unserer Aufgabe genauso überfordert wie alle anderen Städte." Und niemand widersprach. Was die diesjährige Etat-Runde im Rathaus aber zusätzlich komplizierte, das war die Entschlossenheit aller Fraktionen, sich nur ja auf keinen als faul erachteten Kompromiss einzulassen. Zu diesem Zweck wurden frühzeitig "Knackpunkte" (wir berichteten) definiert, die die Konflikt-Positionen unvereinbar weit aufspreizten.

Deshalb sondierten die Fraktionen - mühsam dirigiert von Chefmoderator Schöning - am Donnerstag zunächst nur minenfreies Gelände. Zwei Stunden lang handelten sie hinter verschlossener Tür eine ganze Reihe von Nachbesserungen aus. Per Saldo hätten diese Korrekturen das Defizit im Verwaltungsetat um 580 000 Euro verringert, allerdings nur auf dem Papier. Tatsächlich, und das wurde von allen offen eingeräumt, handelte es sich bei den vereinbarten Änderungen überwiegend um Haushaltskosmetik: Man setzte auf einigen Positionen die Einnahmen höher an und verschob einen großen Ausgabebrocken, den mit 850000 Euro gefüllten Topf für die Gebäudeunterhaltung, der regulär in den Verwaltungsetat gehört, in den Vermögenshaushalt.

Auf diesem Weg kamen immerhin sieben Fraktionen (die drei Stadträte der TÜL/PDS waren bereits draußen) ein Stück weit voran - bis zum ersten "Knackpunkt": Als die Unterhändler von CDU, UFW und WUT mehr oder minder entschieden darauf beharrten, dass sie bei der geplanten Erhöhung der Grundsteuer nicht mitspielen würden, wurden sie kurzerhand aus dem Saal komplimentiert.

Draußen standen sie dann ziemlich ratlos im Abseits - und handlungsunfähig. Zum einen, weil sich auch CDU. UFW und WUT an ihren Knackpunkten (insbesondere wollte die WUT unter keinen Umständen das WIT-Kapital für die Belebung von Gewerbebrachen antasten) nicht einigen konnten. Und zum anderen, weil die drei bürgerlichen Fraktionen selbst bei einer Verständigung mit ihren 22 Stimmen keine Aussicht auf eine Mehrheit (25 Stimmen) hatten.

Die übrigen Fraktionen, AL, SPD, FL und FDP, verhandelten unverdrossen weiter, bis Schöning schließlich um 20.30 Uhr ein gemeinsames Antragspaket präsentieren konnte. Der zentrale Kompromiss in diesem Papier: eine Steigerung des Grundsteuer-Hebesatzes von 410 auf 450 Prozent, was der Stadtkasse zusätzliche Einnahmen von etwa einer Million Euro bringen sollte - mithin 1,2 Millionen Euro weniger, als die Oberbürgermeisterin mit einem Hebesatz von 500 Prozent angepeilt hatte.

Das Problem bei diesem Vorschlag: AL, SPD, FL und FDP brachten es zusammen mit OB Russ-Scherer nur auf 24 Stimmen, waren also darauf angewiesen, dass sich im anderen Lager mindestens zwei Stadträte um des lieben Weihnachtsfriedens willen aus der Abstimmung raushalten.

Gerüchteweise hatten sich die Koalitionäre auch schon ein paar Wackelkandidaten ausgeguckt. Doch bevor deren Fraktionstreue ernsthaft getestet werden konnte, brach das von Schöning formierte Bündnis abrupt zusammen. Zur Überraschung von Freund und Feind erklärte FL-Sprecher Joachim Gellert, seine Fraktion fände sich in dem Kompromiss-Papier nicht wieder und könne deshalb nicht zustimmen. Den Ausschlag für den Rückzug der FL so war hinterher zu erfahren, gaben letztlich jene 15000 Euro, die von der Koalition für den Theatersommer bewilligt wurden.

Damit war auch die letzte Chance dahin, den rund 150 Millionen Euro schweren Etat 2004 noch in diesem Jahr unter Dach und Fach zu bringen. Da halfen selbst flehentliche Appelle nichts mehr. Die Bitte der Oberbürgermeisterin, man möge den vorgetragenen Kompromiss aus "Verantwortung für die Stadt" per Stimmenthaltung durchgehen lassen, prallte an den Neinsagern ebenso ab wie die Warnung, die Stadtverwaltung werde ohne Etat-Beschluss auf wichtigen Feldern handlungsunfähig.

Auch Finanzbürgermeister Eugen Höschele hatte kein Glück mit seinem Vorstoß. Der CDU-Mann wünschte sich von seinen Parteifreunden im Rat, dass sie das grün-rot-gelbe Minderheitsvotum "wenigstens bis zu den nächsten Kommunalwahlen" akzeptieren - und erntete damit nur amüsierte bis spöttische Kommentare. Am Ende wurde der einzige zur Debatte gestellte Kompromiss-Vorschlag mit 26 Nein-Stimmen von CDU, UFW, WUT, FL und TÜL/PDS abgeschmettert. AL, SPD, FDP und OB brachten es (bei drei Enthaltungen aus den Reihen der FL und WUT) nur auf 20 Ja-Stimmen.

Sepp Wais

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Freitag, 19. Dezember 2003
Tagesspruch von Gerhard Bialas
Schwäbisches Tagblatt, Di 16.12.2003

"Nein, aber den meisten anderen im Kreistag macht es ja auch keinen Spaß, dass ich noch drin bin."

TüL/PDS-Kreisrat Gerhard Bialas auf die Frage, ob ihm seine Kreistags-Arbeit noch Spaß mache

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